Bei einem Vermögensdelikt des Arbeitnehmers zum Nachteil des Arbeitgebers, wie z. B. Betrug oder Unterschlagung, bedarf es grundsätzlich vor Ausspruch einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung keiner vergeblichen Abmahnung, weil – wie regelmäßig bei einer Störung im Vertrauensbereich – dem Arbeitgeber ein Wiederholungsfall nicht zuzumuten ist.
Dabei kommt es nicht auf die Höhe des entstandenen Schadens an. Nach der Rechtsprechung kann bei vorsätzlichen und widerrechtlichen Verletzungen des Eigentums oder des Vermögens des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer nicht allein wegen Geringfügigkeit von vornherein die Eignung für eine Kündigung abgesprochen werden. Vielmehr ist bei Eigentums- oder Vermögensdelikten der Umfang des dem Arbeitgeber zugefügten Schadens erst im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung zu berücksichtigen.
Bienenstichfall
Verzehr eines Stück Kuchens ohne Bezahlung durch eine Buffetkraft in der Cafeteria eines Kaufhauses als Grund zur außerordentlichen Kündigung.
Bei der Interessenabwägung sind u. a. das gegebene Maß der Beschädigung des Vertrauens, das Interesse an der korrekten Handhabung der Geschäftsanweisungen, das vom Arbeitnehmer in seiner unbeanstandeten Beschäftigung erworbene "Vertrauenskapital" sowie die wirtschaftlichen Folgen des Vertragsverstoßes zu berücksichtigen.
Beispiele
Bei einem Angestellten, dem Kassengeschäfte übertragen sind, genügt schon eine geringe Unregelmäßigkeit, um das ihm entgegengebrachte Vertrauensverhältnis so zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann.
Es kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung sein, wenn ein Arbeitnehmer im Auslandsurlaub erkrankt, gegenüber seinem Arbeitgeber für 2 in den fraglichen Zeitraum fallenden Tage Entgeltfortzahlung fordert, obwohl er vom ausländischen Vertrauensarzt für diese 2 Tage nicht mehr als arbeitsunfähig krank angesehen worden ist.
Ein Spesenbetrug kann ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund sein und sogar zur fristlosen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB berechtigen. Arbeitnehmer haben die angefallenen Spesen grundsätzlich korrekt abzurechnen. Eine unrichtige Abrechnung berechtigt regelmäßig zu einer fristlosen Kündigung. Selbst wenn es sich um einen einmaligen Vorfall und um einen geringen Betrag handelt, kann ein Spesenbetrug als Grund zur fristlosen Entlassung ausreichen.
Verbringt ein Hausmeister Mobiliar eines zahlungsunfähigen Mieters in die Wohnung seines Sohnes und begeht damit eine Pfandkehr am Vermieterpfandrecht, ist dies ein Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung.
Das Einlösen von Pfandbons im Wert von 1,30 EUR, die ein Kunde im Laden verloren hat, durch eine Kassiererin zu eigenen Gunsten ist ein schwerwiegender Vertragsverstoß und berührt den Kernbereich der Arbeitsaufgaben einer Kassiererin. Trotz der dadurch entstandenen erheblichen Belastung des Vertrauensverhältnisses kann eine verhaltensbedingte Kündigung unwirksam sein, wenn die Kassiererin durch beanstandungsfreies Arbeiten über mehrere Jahrzehnte Vertrauen erworben hat. Demgegenüber hielt das BAG im Fall des Einlösens von Rabattcoupons im Wert von 36 EUR die Kündigung für rechtmäßig. Da die Mitarbeiterin die Coupons im Einverständnis mit einer Kollegin nach Dienstschluss einlöste, scheint die Rechtsprechung die Heimlichkeit der Tat erschwerend zu berücksichtigen. Im Fall der Einlösung der Pfandbons im Wert von 1,30 EUR geschah die Tat offen vor einer nicht-befreundeten Kollegin sowie der Vorgesetzten.
Ein Versicherungsbetrug durch vorsätzliche Verursachung eines Verkehrsunfalls und Abrechnung des Schadens des angeblichen Unfallgegners bei der Haftpflichtversicherung des Arbeitgebers berechtigt zur fristlosen Kündigung.
Benutzt der Arbeitnehmer dienstliche Computer ohne Erlaubnis, um illegal Kopien von privat beschafften Musik- oder Film-CDs/DVDs herzustellen, kann dies ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund sein.