Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob der Elternteil, dem bei im Übrigen gemeinsamer elterlicher Sorge das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ein minderjähriges Kind übertragen worden ist, die Befugnis hat, mit dem Kind dauerhaft in ein außereuropäisches Land umzusiedeln.
Sachverhalt
Der Antragsteller hatte im Jahre 2000 eine thailändische Staatsangehörige geheiratet. Aus dieser Ehe ging ein im November 2000 geborener Sohn hervor. Die Ehe der Eltern wurde durch Urteil vom 16.6.2004 aufgehoben, weil die Antragsgegnerin dem Antragsteller arglistig die Existenz eines weiteren im Jahre 1997 geborenen Sohnes verschwiegen hatte, der in Thailand bei ihren Eltern lebte.
In der Folgezeit konnten die Eltern keine Einigung darüber erzielen, von welchem Elternteil das gemeinsame Kind in Zukunft aufgezogen und betreut werden sollte. In einem daraufhin geführten Sorgerechtsverfahren erging im Oktober 2004 ein Beschluss, mit dem - unter Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Übrigen - das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind auf den Kindesvater übertragen wurde. Im Beschwerdeverfahren wurde die erstinstanzliche Entscheidung auf der Grundlage eines eingeholten Sachverständigengutachtens dahingehend abgeändert, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht nunmehr auf die Kindesmutter übertragen wurde. Seit dieser Entscheidung lebte das Kind bei der Mutter und ihrem neuen Lebensgefährten, den sie zwischenzeitlich geheiratet hatte.
Ende Oktober/Anfang November 2008 reiste die Kindesmuter mit dem Sohn, den sie zuvor aus der Schule abgemeldet hatte, nach Thailand. In dem aufgrund dessen von dem Antragsteller eingeleiteten Verfahren auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts erklärte die Mutter, dass sie sich aus gesundheitlichen und familiären Gründen nur vorübergehend in Thailand aufhalten werde. Dies wurde in der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2008 von dem Ehemann der Mutter bestätigt. Er erklärte, dass seine Frau sich nur vorübergehend zur gesundheitlichen Behandlung in Thailand aufhalte und sie beabsichtige, nach Deutschland zurückzukehren.
Das AG entzog daraufhin der Mutter im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht und übertrug dies zur alleinigen Ausübung auf den Vater.
Der Antragsteller hat unter Datum vom 28.8.2009 einen Rückführungsantrag gestellt. Das Bundesamt für Justiz hat ihm am 21.9.2009 mitgeteilt, der Antrag auf Rückführung gemäß dem Haager Übereinkommen für die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (HKÜ) könne nicht zur weiteren Bearbeitung angenommen werden, da die Voraussetzungen des Übereinkommens offenkundig nicht erfüllt seien. Das Verbringen des Kindes von Deutschland nach Thailand Anfang November 2008 sei nicht widerrechtlich gewesen, da die Kindesmutter zum maßgeblichen Zeitpunkt des Verbringens das Aufenthaltsbestimmungsrecht über das Kind innegehabt hätte.
Der Antragsteller hat daraufhin beantragt, die Entscheidung des OLG herbeizuführen.
Entscheidung
Das OLG hielt den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 8 Abs. 1 IntFamRVG für begründet. Das Bundesamt für Justiz als Antragsgegnerin habe gemäß § 6 Abs. 2 IntFamRVG die für den Rückführungsantrag des Antragstellers erforderlichen Maßnahmen einzuleiten.
Die Auffassung der Antragsgegnerin, wonach das Verbringen des Kindes nach Thailand nicht widerrechtlich gewesen sei, würde nur dann zutreffen, wenn die Kindesmutter nur zu einem vorübergehenden Aufenthalt nach Thailand gereist wäre.
Sollte bereits zum Zeitpunkt der Ausreise aus Deutschland von der Kindesmutter eine dauerhafte Übersiedlung in ihr Heimatland geplant gewesen sein, wäre dies durch das der Kindesmutter zur alleinige Ausübung übertragene Aufenthaltsbestimmungsrecht aufgrund der Tatsache, dass den Kindeseltern im Übrigen die elterliche Sorge weiterhin gemeinsam zugestanden habe, nicht mehr gedeckt gewesen.
Auch wenn das Aufenthaltsbestimmungsrecht grundsätzlich die Befugnis beinhalte, den Wohnort und die Wohnung des Kindes frei und ohne vorherige Zustimmung des anderen Elternteils zu bestimmen, könne die Kindesmutter aufgrund der ansonsten fortbestehenden gemeinsamen elterlichen Sorge nicht schrankenlos über den Aufenthalt des Kindes alleine entscheiden. Da der Antragsteller die gemeinsame elterliche Sorge sowohl im Rahmen seines Umgangsrechts als auch insbesondere durch die Betreuung des Kindes in der Abwesenheit der Mutter Anfang Oktober 2008 auch tatsächlich ausgeübt habe, würde das ihm zustehende (Mit-)Sorgerecht für den Sohn durch eine dauerhafte Übersiedlung von Deutschland nach Thailand in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Eine Übersiedlung von Deutschland nach Thailand beinhalte aufgrund der Entfernung und der damit zusammenhängenden Probleme einer hinreichenden Kommunikation mit dem Kind und dessen Bezugsperson im sozialen Umfeld, dass eine Ausübung der den Kindeseltern gemeinsam zustehenden Teilbereiche der elterlichen Sorge tatsächlich unmöglich gemacht werde. Bei einer derartigen dauerhaften ...