I. Vorbemerkung
Das Coronavirus hat uns alle – beruflich und privat – mit voller Wucht getroffen. Neben den gesundheitlichen Sorgen führt das Virus infolge notwendiger drastischer Maßnahmen zum Gesundheitsschutz zu schwerwiegenden wirtschaftlichen Belastungen sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite. Das Arbeitsrecht steht aktuell vor einer Vielzahl zu bewältigender Herausforderungen infolge der Pandemie. Diese betreffen v.a. Fragen der Beschäftigung, der Verteilung des Arbeits- bzw. Lohnausfallrisikos zwischen Arbeitnehmern, Arbeitgebern, aber auch staatlichen Institutionen sowie des Arbeitszeit- oder Sozialversicherungsrechts.
Der Gesetzgeber hat schnell und hoffentlich wirksam insb. i.R.d. Kurzarbeit reagiert. Für den Zeitraum vom 1.3.2020 bis zum 31.12.2020 wurden erhebliche Verbesserungen zum Kurzarbeitergeld getroffen. Die Voraussetzungen wurden verringert, die Bezugszeit wurde von zwölf auf 21 Monate verlängert. Auch soll das Kurzarbeitergeld erhöht werden.
Die Bundesagentur für Arbeit hat am 26.4.2020 mitgeteilt, dass Deutschlands Unternehmen für insgesamt 10,1 Mio. Menschen Kurzarbeit beantragt haben. Kurzarbeit wird flächendeckend in vielen Branchen geleistet, häufig in der "Null-Variante". Für die Arbeitnehmer führt Kurzarbeit, insb. Kurzarbeit Null, zu deutlichen finanziellen Einbußen.
II. Voraussetzungen der Kurzarbeit
Es muss zwischen den Voraussetzungen für die arbeitsrechtliche Anordnungsmöglichkeit von Kurzarbeit und der leistungsrechtlichen Gewährung von Kurzarbeitergeld durch die Bundesagentur für Arbeit differenziert werden.
Arbeitgeber haben grds. die Pflicht, die Arbeitnehmer zu beschäftigen. Es bedarf daher einer Rechtsgrundlage, um diese Beschäftigungspflicht einzuschränken oder ganz auszusetzen. Hierzu ist eine Regelung in einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder in einer individualrechtlichen Vereinbarung mit jedem einzelnen Arbeitnehmer notwendig.
Hinweis:
Bei einer Anordnung ohne rechtliche Grundlage besteht kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld, und Arbeitnehmer behalten ihren vollen Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber.
1. Tarifvertrag
In vielen Branchen finden sich Tarifverträge, in denen Arbeitgeber und Betriebsrat ermächtigt werden, unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen, v.a. zu Umfang, Ausmaß und Höchstdauer der Kurzarbeit sowie einer Ankündigungsfrist, Kurzarbeit einzuführen. Wichtig ist, dass in den Tarifverträgen die Voraussetzungen der Einführung der Kurzarbeit bestimmt werden müssen und Pauschalermächtigungen unzulässig sind (BAG, Urt. v. 27.1.1994 – 6 AZR 541/93, NZA 1995, 134). Häufig werden auch zu zahlende Zuschüsse, sog. Aufstockungen, zum Kurzarbeitergeld geregelt.
2. Betriebsvereinbarung
Fehlt es an einem Tarifvertrag, besteht im Betrieb aber ein Betriebsrat, kann Kurzarbeit durch eine Betriebsvereinbarung eingeführt werden. Dem Betriebsrat steht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bei der Einführung von Kurzarbeit ein zwingendes Mitbestimmungsrecht zu. Die Betriebsvereinbarung muss die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten so deutlich regeln, dass für die Arbeitnehmer zuverlässig erkennbar wird, wann insb. die Kurzarbeit beginnen und enden, wie die Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer während der Kurzarbeit erfolgen soll. Auch ist die Festlegung der Zeiträume, in denen die Arbeit ganz oder teilweise ausfallen soll, zu regeln (BAG, Urt. v. 18.11.2015 – 5 AZR 491/14, NZA 2016, 565).
Betriebsräte machen ihre Zustimmung zur Einführung von Kurzarbeit häufig von Zuschüssen zum Kurzarbeitergeld abhängig oder verlangen eine befristete Beschäftigungssicherung durch den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen. Hierbei handelt es sich allerdings um Entgeltfragen, die von § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nicht – auch nicht als Annexkompetenz – erfasst sind (vgl. LAG Köln, Beschl. v. 14.6.1989 – 2 TaBV 17/89, NZA 1989, 939; Richardi, 16. Aufl. 2018, § 87 BetrVG Rn 383 m.w.N.). Können sich die Betriebsparteien nicht einigen, kann die Einigungsstelle angerufen werden.
3. Individualrechtliche Vereinbarung
Kommt weder eine tarifliche Regelung noch eine Betriebsvereinbarung (z.B. in einem betriebsratslosen Betrieb) in Betracht, kann die Rechtsgrundlage zur Einführung von Kurzarbeit nur durch Individualvereinbarung geschaffen werden. Zum Teil enthalten Arbeitsverträge sog. Kurzarbeitsklauseln. Diese ermächtigen den Arbeitgeber zur Anordnung von Kurzarbeit ohne weitere Zustimmung des Arbeitnehmers. Sie unterliegen allerdings der sog. AGB-Kontrolle. Nach der bisherigen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung müssen Kurzarbeitsklauseln zur ihrer Wirksamkeit Regelungen zum Umfang und Ausmaß der Kurzarbeit, zu dem betroffenen Bereich im Betrieb, zu dem betroffenen...