Durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten wurde das Zustellungsrecht neu geregelt. Nunmehr ist der Regelfall die elektronische Zustellung (§ 173 ZPO n.F.) und die Zustellung in Papierform gegen Empfangsbekenntnis (§ 175 ZPO n.F.) die Ausnahme. Eine elektronische Zustellung erfolgt an professionelle Einreicher, u.a. auch Rechtsanwälte, gegen elektronisches Empfangsbekenntnis (eEB). Es handelt sich um einen strukturierten Datensatz im XML-Format (X-Justiz) (BVerwG, Beschl. v. 19.9.2022 – 9 B 2/22 – juris Rn 16 ff.).
Hinweis:
Der genaue Aufbau ergibt sich aus dem XJustiz-Fachmodul „XJustiz.EEB”.
Die Rücksendung des eEBs wird von der Justiz per EGVP mit dem Versand des Dokuments angefordert. Es ist nachrichten- und nicht dokumentbezogen (BVerwG, Beschl. v. 19.9.2022 – 9 B 2/22 – juris Rn 21). Dies bedeutet, dass sich das eEB auf sämtliche der Nachricht beigefügten Dokumente bezieht. Vor der Abgabe des eEBs ist somit sorgfältig zu prüfen, ob sämtliche in dem eEB genannten Dokumente diesem auch beigefügt wurden.
Bei Sozietäten wird an den Sachbearbeiter zugestellt; die für eine Übermittlung erforderlichen Angaben – hierbei dürfte es sich um Vor- und Nachnamen sowie Anschrift des Sachbearbeiters handeln – sind in den vorbereitenden Schriftsatz aufzunehmen (§ 130 Nr. 1a ZPO). Zustellungen an eine Rechtsanwaltsgesellschaft erfolgen grds. an den gesetzlichen Vertreter (§ 170 ZPO). Möglich ist auch eine Zustellung an das Kanzleipostfach (§ 31b BRAO).
Das eEB kann auch durch einen Bevollmächtigten, der zum Personenkreis des § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gehört, abgegeben werden: den allgemein bestellten Vertreter (§ 53 BRAO), den Zustellungsbevollmächtigten (§ 30 BRAO) oder den Kanzleiabwickler (§ 55 BRAO). In einer Sozietät gilt jeder Sozius als mandatiert und somit unterschriftsberechtigt, auch wenn er an dem maßgebenden Gericht nicht zugelassen und/oder die Sendung an einen anderen Sozius adressiert ist.
Der Versand des eEBs kann auf einen Kanzleimitarbeiter delegiert werden. In diesem Fall muss der Rechtsanwalt das eEB vor dessen Versand qualifiziert elektronisch signieren.
Hinweis:
Dem Kanzleipersonal müssen die entsprechenden Rechte im beA des Anwalts eingeräumt werden (§ 23 Abs. 2 RAVPV). Wird auf das zugestellte Dokument aus einem Zugangskonto i.S.d. § 23 Abs. 2 S. 2 RAVPV zugegriffen, das ein Anwalt für seine Mitarbeiter anlegen kann, ist im beA-Webclient die Schaltfläche für die Rücksendung ausgegraut, bis das eEB qualifiziert elektronisch signiert wurde.
Aus der gesetzlichen Beweisregelung in § 173 Abs. 3 S. 1 ZPO (§ 174 Abs. 4 S. 3 ZPO a.F.) ergibt sich, dass das eEB gegenüber dem Gericht den vollen Beweis für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt und für den Zeitpunkt dieser Entgegennahme erbringt (BVerwG, Beschl. v. 19.9.2022 – 9 B 2/22, Rn 11 f.).
Gemäß § 26 Abs. 1 RAVPV dürfen das beA-Zertifikat und die Zertifikats-PIN nicht weitergegeben werden. Verstößt ein Rechtsanwalt gegen diese Vorschrift, um es einem Mitarbeitenden übertragen zu können, von ihm nicht qualifiziert signierte eEBs abgeben zu können, muss er sich den Inhalt des so abgegebenen eEBs wie ein eigenes zurechnen lassen (BSG, Urt. v. 14.7.2022B 3 KR 2/21 R – juris Rn 15; OLG Bremen, Beschl. v. 20.9.2022 – 3 U 21/22 – juris Rn 12 ff.). Die Beweiswirkung eines eEBs wird nicht allein durch den Vortrag, dass vom Sekretariat des Postfachinhabers unautorisiert übermittelt worden sei, entkräftet (BSG, Urt. v. 14.7.2022 – B 3 KR 2/21 R – juris Rn 11). Hintergrund dieser Entscheidungen ist, dass das hohe Vertrauen in die Authentizität von per beA übermittelten elektronischen Dokumenten gewahrt werden muss (BSG, Urt. v. 14.7.2022B 3 KR 2/21 R – juris Rn 12). Setzt sich jemand über die gesetzlichen Vorgaben hinweg und eröffnet einem Dritten die Möglichkeit, Signiervorgänge zu tätigen, so ist gem. § 166 BGB analog zur Feststellung des Empfangswillens auf den Dritten als Wissensvertreter abzustellen (OLG Bremen, Beschl. v. 20.9.2022 – 3 U 21/22 – juris Rn 12 ff.).
Verweigert ein Rechtsanwalt bei einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung die Mitwirkung, ist er gem. § 14 S. 2 BORA verpflichtet, dies dem Absender unverzüglich mitzuteilen. Dieser Prozess ist im eEB elektronisch abgebildet. Bei der Zurückweisung muss ein Grund ausgewählt werden. Über ein Freitextfeld können ergänzende Informationen angegeben werden (ausführlich hierzu Biallaß, NJW 2019, 3495 ff.).
Wird versehentlich eine einfache statt einer beglaubigten Abschrift eines Urteils per beA zugestellt, wird der Zustellungsmangel geheilt. Eine Lösung dürfte sein, die Zustellung mit Hinweis darauf, dass nur eine einfache Abschrift zugestellt wurde, zurückzuweisen (BGH, Urt. v. 11.2.2022 – V ZR 15/21 m. Anm. Biallaß, NJW 2022, 1819).
Hinweis:
Weiterführende Lektüre zur elektronischen Zustellung findet sich bei Biallaß, Das neue Zustellungsrecht und das elektronische Empfangsbekenntnis, FuR 2023, 110 ff. und Biallaß, Der Umgang mit dem elektronischen Empfangsbekenntnis, NJW ...