(1) Fehlerhafte Behandlung eines Beweisantrags
Auch die fehlerhafte Behandlung eines Beweisantrags kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde erforderlich machen (KK-OWiG-Senge, § 80 Rn. 31). Das ist der Fall, wenn der Amtsrichter Beweisanträge der Verteidigung in der HV ohne Angabe von Gründen ablehnt. Das war bereits früher nach § 77 OWiG a.F. unzulässig (BayObLG NStZ 1986, 467), die Neufassung des § 77 OWiG hat daran nichts geändert (OLG Köln VRS 74, 210). Aus § 77 Abs. 3 OWiG ist abzuleiten, dass ein Beweisantrag, der in der HV gestellt worden ist, stets nur durch begründeten Beschluss abgelehnt werden darf. Lediglich bei der Ablehnung eines Beweisantrags nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG kann die Begründung i.d.R. darauf beschränkt werden, dass die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei (OLG Köln a.a.O.).
(2) Unzulängliche oder fehlende Urteilsgründe
Häufig sind die Urteilsgründe der amtsgerichtlichen Entscheidung unzulänglich, gelegentlich fehlen sie auch, obwohl die Voraussetzungen für ein Absehen von der Urteilsbegründung nach § 77b OWiG nicht vorgelegen haben, ganz. Ist das letztere der Fall, wird jedoch nicht allein deshalb die Rechtsbeschwerde zugelassen. Vielmehr ist auch in einem solchen Fall die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen des § 80 Abs. 1 und 2 OWiG anhand des abgekürzten Urteils, des Bußgeldbescheides, des Zulassungsantrags und sonstiger Umstände, die auch aus ggf. nachgeschobenen Urteilsgründen hergeleitet werden können, erforderlich (BGHSt 42, 187 = NJW 1996, 3157 = NStZ 1997, 39 = VRS 92, 135; KG VRS 82, 135 m.w.N.; OLG Bamberg StraFo 2010, 468; OLG Köln NZV 1997, 371; OLG Stuttgart NZV 2009, 522; Göhler/Seitz, § 80 Rn. 13 und § 77b Rn. 8 m.w.N.; Burhoff/Kotz/Junker, RM, Teil A Rn. 1432 m.w.N.; Burhoff/Junker, OWi, Rn. 3261). Handelt es sich um ein abgekürztes Urteil, gilt das entsprechend (zu einem Sonderfall s. OLG Köln NZV 1997, 411).
Entsprechend angewendet werden die Grundsätze auch bei "nur" unzulänglichen Urteilsgründen (OLG Köln VRS 75, 116; OLG Düsseldorf VRS 81, 375; OLG Hamm, Beschl. v. 5.11.1992 – 3 Ss OWi 856/92) oder wenn nach § 77b OWiG rechtsfehlerhaft von einer Urteilsbegründung abgesehen worden ist (OLG Hamm VRS 74, 447; s.a. OLG Hamm JMBl. NW 1980, 69; OLG Karlsruhe Die Justiz 1977, 244 [Zulassung, um einer derart fehlerhaften Abfassung der Urteilsgründe entgegenzuwirken, nach deren Inhalt nicht mehr erkennbar ist, ob die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gewahrt ist]).
Praxishinweis:
In den o.a. Fällen ist dem Verteidiger dringend zu empfehlen, den Zulassungsantrag zu begründen und im Einzelnen darzulegen, warum sich bei ordnungsgemäßer Begründung des Urteils ein Zulassungsgrund ergeben würde (zur Begründung des Zulassungsantrags eingehend Herrmann VRR 2014, 128 ff.).