Die historischen Wurzeln der Entschädigung bei Eingriffen in das Eigentum gehen zurück bis in das 18. Jahrhundert. §§ 74, 75 der Einleitung des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten (EALR) von 1794 regelten, dass derjenige, der eine Entziehung oder Beschränkung seiner Rechte zum Wohle des Staates hinnehmen muss, hierfür zu entschädigen ist (Aufopferungsanspruch).
Zitat
Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (1794), Einleitung
§ 74 Einzelne Rechte und Vortheile der Mitglieder des Staats müssen den Rechten und Pflichten zur Beförderung des gemeinschaftlichen Wohls, wenn zwischen beyden ein wirklicher Widerspruch (Collision) eintritt, nachstehn.
§ 75 Dagegen ist der Staat denjenigen, welcher seine besondern Rechte und Vortheile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genöthigt wird, zu entschädigen gehalten.
In dieser Tradition steht der Entschädigungsanspruch infolge einer rechtmäßigen Eigentumsenteignung zum Wohle der Allgemeinheit (Art. 14 GG). Im Rahmen eines Erst-Recht-Schlusses entwickelte der Bundesgerichtshof (nachfolgend BGH) auf dieser Grundlage die Rechtsfigur des enteignungsgleichen Anspruchs, der zunächst voraussetzte, dass die Eigentumsbeeinträchtigung zwar rechtswidrig, aber schuldlos erfolgte. In der weiteren Entwicklung dieser Rechtsfigur wurde das Merkmal eines rechtswidrigen Sonderopfers zum konstitutiven Element. Auf den BGH geht auch die Rechtsfigur des enteignenden Eingriffs zurück. Hiernach wird eine Entschädigung für eine Beeinträchtigung gewährt, die als Sonderopfer gewertet werden kann und auf eine atypische Nebenfolge rechtmäßigen Verwaltungshandelns zurückgeht. Mit dem Nassauskiesungsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts (nachfolgend: BVerfG; Beschl. v. 15.7.1981 – 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300–353) machte dieses der dogmatischen Begründung des BGH über Art. 14 GG jedoch ein Ende.
Sachverhalt der Nassauskiesungsentscheidung: Der Kläger war Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er eine Kiesbaggerei betrieb. Auf gepachteten Nachbargrundstücken, die als Wasserschutzgebiete ausgewiesen waren, baute er ebenfalls Sand und Kies ab. Dies geschah bis in den Grundwasserbereich hinein – daher der Begriff Nassauskiesung. In unmittelbarer Nähe (120m) betrieb die Kommune einen Brunnen zur Frischwasserversorgung. Einen Antrag auf Fortsetzung des Kiesabbaus lehnte die zuständige Behörde unter Hinweis auf die Gefährdung für das Brunnenwasser ab. Der Widerspruch blieb erfolglos. Eine Verpflichtungsklage erhob der Kläger nicht. Stattdessen klagte er auf Gewährung einer Entschädigung.
Diese Entscheidung des BVerfG führte jedoch nicht zum Ende der erwähnten Rechtsinstitute. Vielmehr passte der BGH seine Rechtsprechung an die Ausführungen des BVerfG zum formalen Begriffsverständnis der Enteignung in Abgrenzung zur (ausgleichspflichtigen) Inhaltsbestimmung an und übernahm auch den Vorrang des Primärrechtsschutzes gegenüber der Geltendmachung von Sekundäransprüchen. Dogmatisch verwies der BGH allerdings nicht mehr auf Art. 14 GG, sondern auf den historischen Ausgangspunkt des Aufopferungsgedanken in §§ 74, 75 EALR.
1. Ersatzansprüche bei Enteignung
Eine Enteignungsentschädigung gem. Art. 14 Abs. 3 GG stellt einen Ausgleich für den Entzug einer Eigentumsposition dar.
Aufbauschema:
Anspruchsgrundlage: Spezialgesetzliche Entschädigungsregelung
a) Voraussetzungen
In Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG ist geregelt, dass eine Enteignung nur dann zulässig ist, wenn das Gesetz zugleich Art und Ausmaß der Entschädigung regelt (Junktim-Klausel). Hieraus erwächst allerdings kein Wahlrecht des Betroffenen, sich gegen die Enteignung zu wehren oder eine Entschädigung zu verlangen (kein "dulde und liquidiere"). Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG selbst ist auch keine Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch; vielmehr sichert die Junktim-Klausel, dass als Anspruchsgrundlage spezialgesetzliche Entschädigungsvorschriften herangezogen werden können.
Subsidiär kann auf die allgemeinen Enteignungsgesetze der Länder zurückgegriffen werden.
Begrifflich ist die Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG) von der Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG) zu unterscheiden. Seit der Nassauskiesungsentscheidung des BVerfG gilt ein formeller Enteignungsbegriff, wonach eine Enteignung einen hoheitlichen, finalen Entzug einer konkreten Rechtsposition aus Art. 14 Abs. 1 GG zur staatlichen Güterbeschaffung umfasst.
Beispiel:
Mangels Güterbeschaffung stellt der nach dem Reaktorunglück in Fukushima beschlossene beschleunigte Atomausstieg keine Enteignung dar. Reduzierungen der Elektrizitätsmengen, die dem Eigentumsschutz der Atomanlage zuzuordnen sind, stellen (ausgleichspflichtige) Inhalts- und Schrankenbestimmungen dar (BVe...