Zusammenfassung
In letzter Zeit sind verstärkt wettbewerbsrechtliche Entscheidungen bekannt geworden, die Zweifel aufwerfen, ob und inwieweit das Online-Reputations-Management (im Folgenden „ORM” genannt) gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verstoßen könnte. In diesem Beitrag geht es insbesondere um zulässige bzw. unzulässige Fallgestaltungen, den Stand der Rechtsprechung und Tipps für eine RDG-konforme Gestaltung.
I. Leistungsumfang beim ORM
Allgemein lässt sich ORM definieren als überwachung und Beeinflussung des Rufs einer Person, einer Organisation oder eines Produkts in den digitalen Medien. Einerseits gehören dazu Maßnahmen, die den guten Ruf aufbauen oder sichern. Andererseits schließt ORM Abwehrmaßnahmen ein, die erforderlich werden, falls sich z.B. durch Negativberichte oder Negativbewertungen im Internet Reputationsverluste bzw. Reputationsschäden einstellen bzw. einstellen könnten. Tätigkeiten von ORM-Agenturen im Bereich der „Aufbautätigkeit” des Rufs wie z.B. Optimierung von Internetwerbung, Platzierung von Informationsbeiträgen, Pressemitteilungen, Analysen, Monitoring, Mediationsversuche, Suche nach alternativen Bewertungssystemen, Suchmaschinenwerbung, Postings, Bilder und Videos in Social Media stellen sich grds. nicht als Rechtsdienstleistung i.S.d. § 2 RDG dar. Es handelt sich insofern um klassische Werbedienstleistungen. Anders verhält es sich bei den Versuchen, drohende oder bereits vorhandene Reputationsschäden zu beseitigen, v.a. bei – gerechtfertigten sowie nicht gerechtfertigten – Negativberichten unzufriedener Kunden oder Schlechtbewertungen, z.B. Rezensionen in Business-Einträgen bekannter Anbieter. Insofern bieten auch Anwaltskanzleien ihre Dienste an. Diese prüfen Sachverhalte rechtlich, erstellen ggf. individuelle Aufforderungsschreiben an Host-Provider und/oder klagen ggf. Unterlassungs- oder Löschungsansprüche gegen Host-Provider und/oder bewertende Personen ein. Insofern liegt es auf der Hand, dass die Agenturen, die ORM anbieten, hier ggf. in ein Spannungsfeld geraten, da ihnen i.d.R. die Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen fehlt. Dieses Spannungsfeld ist zuletzt Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesen.
II. Gerichtsentscheidungen
Zunächst soll dargestellt werden, um welche Sachverhaltskonstellationen es bei bereits ergangenen Gerichtsentscheidungen ging und wie entschieden wurde.
1. LG Stuttgart
Das Urteil des LG Stuttgart (v. 25.3.2021 – 11 O 543/20) ist im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Antrag eines Rechtsanwalts, der sich in seinen Rechten verletzt sah, ergangen. Der ORM betreibende Unternehmer hatte auf seiner Webseite – ohne explizit rechtliche Prüfungen zu bewerben – die Löschung von zu Unrecht erhaltener negativer Bewertungen angeboten u.a. mit „Zahlung nur bei Erfolg Google Bewertungen löschen lassen” sowie „Wir können Google Bewertung löschen lassen, wenn Sie der Meinung sind die Bewertung muss gelöscht werden, sind wir an Ihrer Seite und beantragen die Löschung in Ihrem Namen”. Das Gericht sah darin eine Rechtsdienstleistung (§ 2 Abs. 1 RDG), da eine rechtliche Subsumtion erforderlich sei. Die bloße technische Hilfe (copy & paste) wollte das Gericht offenbar nicht beanstanden. Aus dem Tenor des Verfügungsbeschlusses geht als konkrete Verletzungsform hervor, dass v.a. der Einsatz eines an Google gerichteten Aufforderungsschreibens zu der Entscheidung geführt hat:
Zitat
„Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung ... untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Dienstleistungen anzubieten oder durchzuführen, die auf die Löschung oder Beanstandung von Google-Bewertungen gegenüber Google gerichtet sind, wenn dies durch Verschicken des folgenden Textes an Google geschieht ...”
In dem im Tenor eingerückten Text trägt die Agentur (Antragsgegner) u.a. vor, aus welchen Gründen die Löschung verlangt wird. Zur Rechtsdienstleistung des Verfügungsbeklagten führte das LG Stuttgart aus:
Zitat
„Damit überhaupt eine Prüfpflicht des Hostproviders ausgelöst wird, die im Ergebnis auch Voraussetzung für eine Löschung der beanstandeten äußerung ist, muss daher im konkreten Einzelfall zunächst ermittelt werden, worin die konkrete Rechtsverletzung liegt, die Grundlage der Beanstandung ist. Es ist dabei insb. zu klären, ob es sich um eine (unwahre) Tatsachenbehauptung, um eine Meinungsäußerung mit (unwahrem) Tatsachenkern, um eine Meinungsäußerung handelt, der eine Tatsachengrundlage fehlt oder etwa um Schmähkritik. Je nachdem muss die Beanstandung derart abgefasst werden, dass eine etwaige Rechtsverletzung zumindest schlüssig erscheint. Dies setzt gewisse Grundkenntnisse im äußerungsrecht voraus, die über ein bloßes Alltagswissen hinausgehen.”
2. LG Hamburg
a) Urt. v. 28.6.2019
Das LG Hamburg (Urt. v. 28.6.2019 – 315 O 255/18) hatte zeitlich vor dem LG Stuttgart (in dessen Urteil wird das Urteil des LG Hamburg nicht erwähnt) bereits auf Klage einer Rechtsanwaltskammer gegen ein ORM betreibendes Unternehmen die „Prüfung” negativer Online-Bewertungen als Rechtsdienstleistung angesehen und eine erlaubte Nebenleistung (§ 5 RDG) verneint....