Die hier besprochenen Entscheidungen führen abschließend zu wichtigen Konsequenzen für die Praxis.
1. Überprüfung bestehender Verträge und Gesellschafterstreitigkeiten
Zum einen geben die Entscheidungen des OLG Stuttgart und des OLG Nürnberg Anlass dazu, bereits bestehende Regelungen in Gesellschaftsverträgen und Arbeits-/Dienstverträgen einer Wirksamkeitsprüfung zu unterziehen. Dabei sind die einzelnen Regelungen aber nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr haben beide Entscheidungen gezeigt, dass es gerade auf das Zusammenspiel der unterschiedlichen Regelungen ankommt.
Zum anderen können die Erkenntnisse aus den beiden Entscheidungen für taktische Überlegungen im Rahmen von (bevorstehenden) Gesellschafterstreitigkeiten genutzt werden. Kündigt bspw. ein Gesellschafter seine Gesellschafterstellung ordentlich unter Einhaltung der vorgesehenen Kündigungsfrist und möchte dieser eine möglichst schnelle Lösung (bspw. bei Streit über die Höhe der ihm zustehenden Abfindung) erreichen, kann im Falle einer Unwirksamkeit des vertraglichen Wettbewerbsverbots entsprechend Druck über die Mitgesellschafter ausgeübt werden.
2. Konsequenzen für die Vertragsgestaltung
Die zuvor aufgezeigten Auswirkungen müssen im Rahmen der Vertragsgestaltung, d.h. bei der Erstellung von Gesellschaftsverträgen berücksichtigt werden. Dabei ist insb. vor dem Hintergrund der Entscheidung des OLG Stuttgart auf die möglichen Wechselwirkungen zwischen Satzungsregelungen einerseits und arbeitsvertraglichen Regelungen bzw. Beendigungsmöglichkeiten andererseits einzugehen (Heckelmann jurisPR-HaGesR 6/2019 Anm. 4).
Beide Entscheidungen verdeutlichen schlussendlich auch, dass bereits im Rahmen der Gründung von Gesellschaften und der Gestaltung von Gesellschaftsverträgen ein besonderes Augenmerk auf die Regelungen zum Ausscheiden eines Gesellschafters gelegt werden muss. Erfahrungsgemäß beruhen viele gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzungen und Streitigkeiten gerade darauf, dass der Gesellschaftsvertrag hierzu wenig bis gar keine bzw. nur sehr rudimentäre Regelungen enthält. Konkret bezogen auf die beiden besprochenen Entscheidungen sind u.a. folgende Aspekte zu berücksichtigen:
- Gesellschafter müssen sich angesichts der Entscheidung des OLG Nürnberg die Frage stellen, ob sich infolge der Erklärung einer Kündigung Änderungen im Hinblick auf die Mitgliedschaftsrechte des kündigenden Gesellschafters ergeben sollen. Sofern bspw. bei einer GmbH keine gesonderten Regelungen hierzu getroffen werden, bestehen die Mitgliedschaftsrechte des betroffenen Gesellschafters, d.h. auch sein Stimmrecht, im Grundsatz bis zum Vollzug der Kündigung (Austritt) weiterhin fort (Burmeister/Schmidt-Hern in: Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1, Gesellschaftsrecht, 8. Aufl. 2018, Muster IV. 27, Anm. 33). Diese Problematik betrifft nicht nur Minderheits-, sondern auch Mehrheitsgesellschafter. Auch diese könnten im Falle eines in der Satzung verankerten Abstimmungsverbots nach erfolgter Kündigung keinen Einfluss mehr auf die Angelegenheiten der Gesellschaft nehmen.
- Im Rahmen der Vertragsgestaltung sind die Interessen der (zukünftigen) Gesellschafter in den Blick zu nehmen: Zwar kann es auf der einen Seite für die fortführenden Gesellschafter von Bedeutung sein, ein Abstimmungsverbot nach erfolgter Kündigung explizit vorzusehen, um dadurch sicherstellen zu können, dass der ausscheidende Gesellschafter für die verbleibende Zeit der Mitgliedschaft keine Möglichkeit mehr hat, auf die Entscheidungsfindung Einfluss zu nehmen. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass man dadurch dem ausscheidenden Gesellschafter unter Umständen die Möglichkeit eröffnet, unmittelbar eine Konkurrenztätigkeit aufnehmen zu können. Dieser Aspekt kann bspw. dann von Relevanz sein, wenn relativ lange Fristen für eine ordentliche Kündigung (z.B. zwölf Monate zum Ende eines Kalenderjahres) vorgesehen sind. Ein Argument für lange Kündigungsfristen ist häufig, dass für die verbleibenden/fortführenden Gesellschafter ausreichend Zeit besteht, den Gesellschafterwechsel und die in diesem Zusammenhang aufkommenden Fragen und Herausforderungen (z.B. Höhe einer etwaigen Abfindung, Erklärung einer Anschlusskündigung) klären zu können. Die aus Sicht der fortführenden Gesellschafter damit verbundene Sicherheit besteht indes möglicherweise nur auf dem Papier: Eine entsprechend lange Kündigungsfrist muss in Anlehnung an die Entscheidung des OLG Nürnberg je nach den Umständen des Einzelfalls nämlich nicht zwingend bedeuten, dass der kündigende Gesellschafter nach wie vor an die Gesellschaft gebunden ist und bis zu seinem tatsächlichen Ausscheiden keiner Konkurrenztätigkeit nachgehen darf.
- Wenn es maßgeblich auf die bestehenden Einflussnahmemöglichkeiten eines Gesellschafters ankommt, so können gerade bei Minderheitsgesellschaftern Regelungen zu etwaigen Zustimmungserfordernissen oder Sonderrechten letztendlich mittelbaren Einfluss auf die Wirksamkeit von vertraglichen Wettbewerbsverboten haben (Burmeister/Schmidt-Hern in: Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1, Gesellschaftsrecht, 8. Aufl. 2018, Muster IV. 27, Anm. 17; s. hierzu aus der Rechtspr...