Die Rücknahme einer Bestellung erfolgt gem. § 143 StPO, wenn demnächst ein anderer Verteidiger gewählt wird und dieser die Wahl annimmt. Darüber hinaus kann nach ganz h.M. trotz des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung eine Rücknahme aus wichtigem Grund erfolgen, auch über § 138a StPO hinaus (zur Rücknahme der Bestellung ausführlich Kett-Straub NStZ 2006, 361).
Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn Umstände vorliegen, die den Zweck der Pflichtverteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährden (Meyer-Goßner/Schmitt, § 143 Rn. 3). Zuständig für die Rücknahme ist der Vorsitzende. Vor der Entscheidung ist sowohl dem Angeklagten als auch dem Verteidiger rechtliches Gehör zu gewähren (BVerfG NJW 2001, 3695).
1. Beauftragung eines Wahlverteidigers
Beauftragt der Angeklagte, dem ein Pflichtverteidiger beigeordnet ist, zusätzlich einen Wahlverteidiger, endet die Beiordnung nicht automatisch, die Neumandatierung zwingt aber grundsätzlich zur Rücknahme der Beiordnung (Meyer-Goßner/Schmitt, § 143 Rn. 2).
Eine Ausnahme kommt in Betracht, wenn das Fortbestehen des Pflichtverteidigerverhältnisses im Interesse sachgerechter Verteidigung und ordnungsgemäßer Durch- bzw. Fortführung des Verfahrens angezeigt ist (KK-Laufhütte, § 143 StPO Rn. 3). Dies kann insbesondere in Großverfahren der Fall sein, oder wenn zu befürchten steht, dass der neu hinzugekommene Wahlverteidiger nicht alle Hauptverhandlungstermine wahrnehmen kann und es hierdurch zu Verfahrensverzögerungen kommt.
Hinweis:
Unterbleibt aus vom Angeklagten nicht zu vertretenden Gründen die Entpflichtung, sind ihm im Freispruchsfalle sowohl die Kosten des Wahl- als auch die des Pflichtverteidigers zu erstatten (BVerfG NStZ 1984, 561).
2. Erschlichene Beiordnung/Verdrängung eines bereits bestellten Verteidigers
Insbesondere in Umfangsverfahren, die aufgrund der Vielzahl der Hauptverhandlungstage auch für einen Pflichtverteidiger wirtschaftlich lukrativ sind und in Verfahren mit hohem Öffentlichkeitsinteresse kommt es immer wieder vor, dass von Rechtsanwälten der Versuch unternommen wird, ordnungsgemäß bestellte Kollegen aus dem Pflichtmandat hinauszudrängen. Dabei wird meist dergestalt vorgegangen, dass zunächst die Übernahme eines Wahlmandats angezeigt und hierdurch die Entpflichtung des bisherigen Pflichtverteidigers gem. § 143 StPO bewirkt wird. Unmittelbar im Anschluss, manchmal sogar bereits bei der erstmaligen Anzeige der Vertretung des Angeklagten (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 26.1.2006 – 2 Ws 30/06) wird dann das Wahlmandat niedergelegt bzw. die Niederlegung angekündigt und die eigene Beiordnung beantragt.
Eine Entpflichtung des bisherigen Verteidigers erfolgt aber nur dann, wenn die Verteidigung durch den Wahlverteidiger während des gesamten Verfahrens sichergestellt ist. Steht dagegen von vornherein fest, dass der Wahlverteidiger sein Mandat alsbald niederlegen wird und die Bevollmächtigung des Wahlverteidigers nur erfolgt, um die Entbindung des bisherigen Verteidigers nach § 143 StPO zu erzwingen oder ist dies wegen Mittellosigkeit des Angeklagten zu erwarten, so ist die Bestellung des Pflichtverteidigers aufrecht zu erhalten (OLG Celle NStZ-RR 2010, 381). Kommt es dennoch zu einer Entpflichtung des "alten" Verteidigers und legt daraufhin der vermeintliche Wahlverteidiger das Mandant nieder, so ist nicht dieser, sondern regelmäßig der frühere Pflichtverteidiger erneut zu bestellen (BGH StraFo 2008, 505).
Hinweis:
Diese Rechtsprechung wird insbesondere bei Mittellosigkeit des Angeklagten oftmals auch dem neu eintretenden Wahlverteidiger, der nicht auf ein missbräuchliches Hinausdrängen des Pflichtverteidigers abzielt, entgegengehalten werden, wenn er auf § 143 StPO hinweist. Teils wird in der Rechtsprechung sogar vertreten, selbst durch eine Erklärung des Wahlverteidigers, dass alle bislang angefallenen Vergütungen gezahlt worden seien, werde die ernsthafte Befürchtung, dass er zukünftig angesichts der Mittellosigkeit des Angeklagten das Mandat niederlegen werde und letztlich erstrebe, selbst als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden, nicht ausgeräumt (OLG Oldenburg NStZ-RR 2009, 115). Dem wird man jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht folgen können. Erklärt der Verteidiger, er habe seine Vergütung bereits erhalten und werde in der Hauptverhandlung auftreten, besteht kein Grund zu der Annahme, die Verteidigung sei nicht gesichert (BGH NStZ 2014, 660 für einen voraussichtlich nur eintägige Hauptverhandlung).
3. Zerrüttetes Vertrauensverhältnis
Kommt es im Verlauf des Verfahrens zu einer nicht mehr heilbaren Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger, kann die Rücknahme der Bestellung angezeigt sein (ausführlich hierzu Hellwig/Zebisch NStZ 2010, 602). Die Anforderungen hierfür sind jedoch hoch.
Der bloße Wunsch des Angeklagten, künftig von einem anderen Rechtsanwalt vertreten zu werden, genügt nicht (KK-Laufhütte, § 143 StPO Rn. 5) und nach der Rechtsprechung muss dem Angeklagten auch die Möglichkeit verwehrt bleiben, einen grundlosen und nicht gebotenen Verteidigerw...