Aktuelle Grundsatzentscheidungen von hoher praktischer Relevanz prägen das Verhältnis von Kunde zu Bank neu. In diesem Spannungsfeld findet die anwaltliche Tätigkeit statt, die eine zumindest grundlegende Befassung mit den wesentlichen praktischen Problemen und Neuerungen voraussetzt.
1. Widerrufsrecht bei Verbraucherkrediten
Der ewige "Widerrufsjoker" hat ausgespielt. Die kontrovers diskutierte und umstrittene Reform des Widerrufsrechts für Wohnimmobilien- und Verbraucherkredite ist beschlossen worden (Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften v. 11.3.2016, BGBl I, S. 396). Die neue Regelung ist bereits im Vorfeld heftig umstritten gewesen (s. Singer ZAP Kolumne 3/2016, S. 101 f.). Ganz frei war der Gesetzgeber aber nicht in seinen Entschließungen, denn Brüssel verlangte die Umsetzung der Wohnimmobilienkredit-Richtlinie 2014/17/EU bis zum 21.3.2016. Es bestehen Fakten, die sich in absehbarer Zeit in den "echten" oder "unechten" AGB niederschlagen dürften. Der Gesetzgeber hat zu folgenden Punkten Klarstellungen vorgenommen:
Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag:
Solange der Verbraucher nicht über die von der Bank geschuldeten Pflichtangaben gem. § 492 Abs. 2 BGB verfügt, (s. Art. 247 §§ 6–13 EGBGB), gilt eine Widerrufsfrist von einem Monat ab Nachholung dieser Angaben.
Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag:
Das Widerrufsrecht erlischt spätestens zwölf Monate und vierzehn Tage nach Vertragsschluss oder Aushändigung der in § 356b Abs. 1 BGB genannten Dokumente.
Diese Regelungen sind eindeutig und für den Verbraucher auch zumutbar: Die kürzere Widerrufsfrist bei Allgemeinverträgen entspricht der kürzeren Laufzeit und Bindungsfrist, die Widerrufsfrist bei Immobiliarverträgen der längeren Laufzeit und Bindungswirkung. Sie gelten jeweils für Verträge ab Inkrafttreten des Gesetzes am 21.3.2016. Außerdem hat der Kreditnehmer aus § 495 BGB bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag das 14-tägige Widerrufsrecht gem. § 355 BGB. Leistungen sind dann zurück zu gewähren. Bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag gilt vor Vertragsschluss eine Bedenkzeit von mindestens sieben Tagen, in denen das Kreditinstitut an sein Angebot gebunden ist.
Praxishinweis:
Hat der Mandant nach Ablauf der Sieben-Tage-Frist noch Zweifel, bleibt der Rücktritt vom Vertrag. Der anwaltliche Beistand wird die Verletzung der Aufklärungspflicht thematisieren und umgehend widerrufen.
Nicht unerwähnt bleiben soll eine eklatante Fehlleistung des Gesetzgebers: Für Alt-Immobiliarverträge, die zwischen dem 1.9.2002 und dem 10.6.2010 geschlossen wurden, ist die Widerrufsfrist endgültig am 21.6.2016 erloschen. Das gilt auch, wenn das Kreditinstitut bei Vertragsschluss seine Informations-, Beratungs- und Aufklärungspflichten verletzt hat (Art. 229 § 38 Abs. 3 S. 1 EGBGB).
2. Verbraucherschutz
Der Gesetzgeber hat wichtige verbraucherfreundliche Neuerungen eingeführt:
- Informationspflichten des Darlehensgebers bei eingeräumter Überziehungsmöglichkeit gem. Art. 247 § 16 EGBGB;
- Beratungspflicht des Darlehensgebers bei Inanspruchnahme des Kontokorrentrahmens ununterbrochen über sechs Monate und über 75 % des eingeräumten Überziehungsrahmens hinaus (§ 504a BGB),
- Information über Kostenfolgen bei geduldeter und erheblicher Überziehung von mehr als einem Monat (§ 505 BGB).
Zum Schutz vor Überschuldung dienen künftig die Pflichten zur Kreditwürdigkeitsprüfung (§ 505a BGB) bei einem Verbraucher-Allgemeinvertrag, dass keine erheblichen Zweifel an der Vertragserfüllung bestehen. Bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag muss wahrscheinlich sein, dass der Darlehensnehmer seinen vertragsgemäßen Verpflichtungen nachkommen wird. Mit § 505b BGB hat der Gesetzgeber für Verbraucherdarlehensverträge, analog zu §§ 18, 18a KWG, konkretisiert, wie die Kreditwürdigkeitsprüfung zu erfolgen hat. So sehr der Schutz vor Überschuldung zu begrüßen ist, mit den vorerwähnten Neuregelungen wird der Spielraum zur Vergabe von Blankokrediten erheblich eingeschränkt, mit der Folge, dass das Kreditinstitut auch in privaten oder beruflichen Notsituationen nicht bereit sein wird, zu überbrücken.
Praxishinweis:
Aufgabe des Anwalts ist es, den Darlehensgeber davon zu überzeugen, dass er einem langjährigen Kunden unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit – auch der, auf Sicherheiten zu verzichten –, sehr wohl mit liquiden Mitteln behilflich sein kann. Bei Genossenschaftsbanken folgt die Argumentation des Anwalts aus § 1 GenG; bei Sparkassen aus dem öffentlichen Auftrag.
Ein weiterer Aspekt: Viele Existenzgründer und Berufsanfänger kreditieren sich zunächst als Privatpersonen, bis sie die passende Finanzierung mit einem Kreditinstitut, unter Einbeziehung öffentlicher Förderung, strukturiert haben. Mit § 513 BGB können ihnen erhebliche Hürden in den Weg gelegt werden.
§ 505c BGB gibt Rahmenrichtlinien für die Qualität der Immobilienbewertung, einschließlich der Kompetenz von internen und externen Gutachtern. Damit kann sich der Anwalt auch mit der Qualifikation eines Gerichtssachverständigen ...