a) Gesetzeswortlaut
Der BGH hat sich der letztgenannten Auffassung angeschlossen. Auch nach seiner Auffassung spricht bereits der Wortlaut der Gesetzesregelung für diese Auslegung. Der BGH weist jedoch darauf hin, dass der Wortlaut insoweit nicht zwingend sei, denn das Wort "gemäß" vor der Angabe des § 331 Abs. 3 ZPO könne – jedenfalls bei isolierter Betrachtung – auch als "in Übereinstimmung mit" verstanden werden. Dies hätte dann zur Folge, dass die Voraussetzungen des § 331 Abs. 3 ZPO und auch das darin geregelte Antragserfordernis von Absatz 1 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3105 VV RVG in Bezug genommen wäre.
b) Sinn und Zweck der Vorschrift
Der Sinn und Zweck dieser Vorschrift steht jedoch nach den weiteren Ausführungen des BGH einer solchen Auslegung entgegen. Bereits zum Anfall der 1,2 Terminsgebühr nach Absatz 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs hat der BGH darauf hingewiesen, mit dieser Regelung solle "in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage" nach § 35 BRAGO erreicht werden, dass der Prozessbevollmächtigte in einem Zivilprozess im Hinblick auf den Grundsatz der Mündlichkeit erwarten könne, in der mündlichen Verhandlung seine Terminsgebühr zu verdienen, keinen Gebührennachteil zu erleiden habe, wenn durch eine andere Verfahrensgestaltung auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werde (BGH RVGreport 2005, 471 [Hansens] = AGS 2005, 540 m. Anm. Mock). Diese Erwägungen gelten nach Auffassung des BGH hier auch für die 0,5 Terminsgebühr nach Absatz 1 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3105 VV RVG. Durch diese Vorschrift werde nämlich der Fall einer besonderen Gestaltung des Verfahrens ohne mündliche Verhandlung dem entsprechenden "Normalverfahren" mit mündlicher Verhandlung gebührenrechtlich gleichgestellt. Insoweit verweist der BGH auch auf die Vorgängerregelung des § 35 BRAGO.
c) Vermeidung eines gebührenrechtlichen Nachteils
Die 0,5 Terminsgebühr nach Absatz 1 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3105 VV RVG soll nach den weiteren Ausführungen des BGH gerade nicht den mit der Stellung des (Prozess-)Antrags auf Erlass eines Versäumnisurteils verbundenen – denkbar geringen – zusätzlichen Aufwand des Prozessbevollmächtigten vergüten. Vielmehr soll der dem Prozessbevollmächtigten ohne die Vorschrift drohende gebührenrechtliche Nachteil einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung vermieden werden. Dieser Nachteil drohe aber unabhängig davon, ob das die mündliche Verhandlung verhindernde Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 3 ZPO auf einem Antrag des Klägers beruhe oder nicht.
d) Ablehnung der Argumente der Gegenmeinung
Demgegenüber greifen nach den weiteren Ausführungen des BGH die Argumente der Gegenauffassung nicht. Soweit diese darauf abstelle, Nr. 3105 VV RVG verlange auch im Falle der Wahrnehmung eines Termins für den Anfall der 0,5 Terminsgebühr, dass ein Prozessantrag gestellt wird, berücksichtigt dies nach den weiteren Ausführungen des BGH nicht, dass sich aus der Vorschrift von Absatz 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3105 VV RVG gerade das Gegenteil ergebe. Nach dieser Regelung falle die Terminsgebühr in einem solchen Fall gerade auch dann an, wenn der erschienene Rechtsanwalt solche Anträge selbst nicht stelle, sondern das Gericht von Amts wegen eine Entscheidung zur Prozess- oder Sachlage fälle.
Auch die Gesetzesmaterialien sprechen nach Auffassung des BGH nicht für die hier abgelehnte Mindermeinung. Der Gesetzgeber hat zwar die Regelung der Nr. 3105 VV RVG damit begründet (s. BT-Drucks 15/1971, S. 212), dass der Aufwand in der dort geregelten Fallgestaltung i.d.R. vermindert sei. Hieraus könne jedoch nicht gefolgert werden, dass bei Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Verfahren, das ohne einen vorherigen Antrag des Rechtsanwalts ergehe, von einem "Aufwand" keine Rede sein könne. Der BGH hat dem entgegengehalten, mit dem "verminderten Aufwand" im Gesetzesentwurf sei nur die gegenüber Nr. 3104 VV RVG geringere Gebührenhöhe von Nr. 3105 VV RVG begründet worden. Auf die in Absatz 1 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3105 VV RVG geregelte gebührenrechtliche Gleichstellung eines Versäumnisurteils im schriftlichen Verfahren mit den – eine mündliche Verhandlung einschließenden – "Grundfällen" der Nr. 3105 VV RVG befasse sich die Gesetzesbegründung jedoch nicht.