1. Anwaltliche Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per beA
Wird im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Rechtsmittelfrist versäumt, korrespondiert dem typischerweise der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO). Dabei ist zu prüfen, ob die Fristversäumnis schuldhaft erfolgt ist.
Das OVG Schleswig-Holstein hat sich in seinem Beschluss vom 4.8.2020 (5 MB 20/20) in diesem Zusammenhang mit den anwaltlichen Sorgfaltspflichten bei dem Schriftverkehr auf elektronischem Wege befasst. Es hält für den erfolgreichen Abschluss des auf elektronischem Wege erfolgenden Schriftverkehrs den Erhalt und ordnungsgemäße Kontrolle der Eingangsbestätigung nach § 55a Abs. 5 S. 2 VwGO für unabdingbar. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA entsprächen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch hier sei es unerlässlich, den Versandvorgang selbst zu überprüfen. Dies könne ohne weiteres durch eine Kontrolle der dem Telefax-Sendeprotokoll vergleichbaren automatisierten Eingangsbestätigung nach § 55a Abs. 5 S. 2 VwGO erfolgen. Sobald eine an das Gericht versendete Nachricht auf dem in dessen Auftrag geführten Server eingegangen sei, schicke dieser automatisch dem Absender eine Bestätigung über den Eingang der Nachricht. Die Eingangsbestätigung solle dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob eine Übermittlung an das Gericht erfolgreich gewesen sei oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich seien. Habe der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung erhalten, bestehe damit Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich gewesen sei. Ihr Ausbleiben müsse den Rechtsanwalt dagegen zur Überprüfung und ggf. zur erneuten Übermittlung veranlassen. Werde zeitnah keine automatische Eingangsbestätigung übermittelt, müsse der Rechtsanwalt damit rechnen, dass das Dokument nicht bei der Empfangseinrichtung des Gerichts angekommen und damit die Übermittlung auf elektronischem Wege nicht erfolgreich gewesen sei (OVG Magdeburg, Beschl. v. 28.8.2019 – 2 M 58/19, juris Rn 9 f. m.w.N.).
2. Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente für einen Rechtsanwalt
Begehrt ein Rechtsanwalt die Berufsunfähigkeitsrente gegenüber dem Versorgungswerk, müssen die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage für das Rentenbegehren gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVS vorliegen. Nach dieser Vorschrift erhält jedes Mitglied, das mindestens für einen Monat seine Beiträge geleistet hat und das infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs unfähig ist und deshalb seine berufliche Tätigkeit einstellt, auf Antrag eine Berufsunfähigkeitsrente, wenn die Berufsunfähigkeit länger als 90 Tage dauert.
Das OVG Lüneburg fordert in seinem Urteil vom 12.11.2020 (8 LB 97/19) für die Annahme der Einstellung der beruflichen Tätigkeit, dass die Ausübung der Tätigkeit als Rechtsanwalt im Rentenzeitraum vollständig und in nach außen manifestierter Weise aufgegeben wird. Ausübung des Rechtsanwaltsberufs sei auch die Selbstvertretung, soweit sie unter Hinweis auf die Eigenschaft als Rechtsanwalt erfolge. Es weist darauf hin, dass das Tatbestandsmerkmal der Einstellung der beruflichen Tätigkeit neben denjenigen der Berufsunfähigkeit und ihrer Dauer das versicherte Risiko konkretisiere. Die Berufsunfähigkeitsrente trete an die Stelle der üblicherweise von den Mitgliedern erzielten Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit, solle derartige Einkünfte aber nicht ergänzen. Es bedürfe einen klaren Nachweis der Rentenvoraussetzung, der im einfachsten Fall durch den Verzicht auf die Zulassung als Rechtsanwalt erbracht werden könne.
Hinweis:
Das Tatbestandsmerkmal des Einstellens ist nicht bereits dann erfüllt, wenn tatsächlich im Rentenzeitraum keine Arbeitsleistungen erbracht wurden. Das gilt auch dann, wenn dieses schlichte Nicht-Arbeiten krankheits- oder behandlungsbedingt ist. Erforderlich ist, dass die Einstellung nach außen manifestiert wird (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 10.1.2003 – 4 A 245/01, juris Rn 5; Urt. v. 14.7.2017 – 17 A 681/16, juris Rn 84).
Das OVG Lüneburg fordert, dass die Einstellung grds. jegliche berufliche Tätigkeit betreffen müsse. Ausnahmsweise möge es unschädlich sein, wenn nach einer nach außen manifestierten, zunächst vollständigen Einstellung später einige wenige, einmalig gebliebene Arbeitsleistungen erbracht würden, die lediglich versuchsweise bzw. aus Gefälligkeit vorgenommen würden. § 14 Abs. 1 S. 1 RVS fordere auch nicht, dass die Berufsunfähigkeit irreversibel sein müsse.
Hinweis:
An einer hinreichenden Manifestation einer Einstellung der beruflichen Tätigkeit fehlt es, wenn ein Vertreter bestellt wird oder für die Bestellung gesorgt wird.
3. Aufsichtsrechtliche Prüfung der Rechtsanwaltskammer gegenüber Rechtsanwälten gemäß Geldwäschegesetz
Nach der auf der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie beruhenden ersten Nationalen Risikoanalyse 2018/2019 wird das Geldwäscherisiko für Rechtsanwälte und Notare als hoch eingestuft. Dabei weist der Immobiliensektor spezifische Geld...