Bei der Anrechnung des Wohnwerts können zwei Gesichtspunkte durch die Zustellung des Scheidungsantrags berührt werden:
- die Höhe des anzurechnenden Wohnvorteils (objektive Marktmiete oder nur angemessener Nutzungsvorteil),
- die Berücksichtigung von Tilgungsleistungen auf bestehende Darlehensverbindlichkeiten.
aa) Bemessung des Nutzungsvorteils
Im Regelfall wird mit der Zustellung des Scheidungsantrags deutlich, dass der antragstellende Ehegatte die Ehe als endgültig gescheitert ansieht (BGH, Urt. v. 5.3.2008 – XII ZR 22/06, FamRZ 2008, 963). Von diesem Zeitpunkt an ist dann die objektiv erzielbare Miete (der Vermietungswert) für die konkrete Wohnung bzw. das konkrete Haus als Wohnvorteil unterhaltsrechtlich anzusetzen. Denn dann nutzt der in der Wohnung verbliebene Ehegatte die Wohnung nur noch in seinem eigenen wirtschaftlichen Interesse. Aufgrund einer dann bestehenden Verwertungsobliegenheit wird der erzielbare Mietwert als fiktives Einkommen anzusetzen sein (BGH FamRZ 2000, 950; BGH FamRZ 1990, 269; s.a. BGH, Beschl. v. 19.3.2014 – XII ZB 367/12, FamRZ 2014, 923 m. Anm. Götz). Bei diesen fiktiven Mieteinkünften ist auch die Steuerbelastung zu berücksichtigen.
Praxishinweise:
- Ausnahmen können greifen, wenn die Verwertung des Hauses objektiv unmöglich oder unwirtschaftlich ist, vom unterhaltsberechtigten Ehegatten verhindert wird oder bei einer nicht vorwerfbaren Verzögerung bei der Verwertung der Immobilie (BGH, Beschl. v. 19.3.2014 – XII ZB 367/12, NJW 2014, 1531).
- Der erzielbare Mietwert ist vielfach nicht ohne Sachverständigengutachten feststellbar.
- Angesichts der meist recht hohen Kosten eines solchen Sachverständigengutachtens sollte der beratende Anwalt immer sorgfältig prüfen, ob sich die Einholung eines Gutachtens tatsächlich lohnt.
bb) Anrechnung von Tilgungsleistungen
Bei den Tilgungsleistungen haben die Eigentümerverhältnisse eine Bedeutung. Sind die Eheleute Miteigentümer des Hauses, führt die Rückführung der Hausdarlehen zu einer Vermögenssteigerung bei beiden Eheleuten, bei Alleineigentum ist der andere Ehegatte bei vorher bestehender Zugewinngemeinschaft ab Zustellung des Scheidungsantrags an dem Vermögenszuwachs nicht mehr beteiligt.
Daher sind regelmäßig gezahlte Raten auf einen Kredit für die Ehewohnung während der gesamten Trennungszeit in voller Höhe – also neben dem Zins auch die Tilgung – und auch nicht nur beschränkt auf die Höhe des angemessenen Wohnvorteils als eheprägend – also bei der Ermittlung des Bedarfs – zu berücksichtigen. Auch im Rahmen der Bedürftigkeit sind diese gezahlten Kreditraten bei der Bemessung des geschuldeten Trennungsunterhalts regelmäßig in voller Höhe (Zins und Tilgung) anzurechnen, allerdings beschränkt auf die Summe aus eigenen Einkünften und Gebrauchsvorteilen dieses Ehegatten (BGH NJW 2007, 1974; FamRZ 2008, 963; NJW 2013, 461).
Führen die Tilgungsleistungen aber zu einer nur noch einseitigen Vermögensbildung eines Ehegatten (so bei Zugewinngemeinschaft vom Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags an), sind diese Zahlungen unterhaltsrechtlich nicht mehr im Rahmen der Berechnung des Wohnvorteils als Abzugsposition anzuerkennen.
Praxishinweise:
- Die weiterhin erbrachten Tilgungsleistungen können aber als zulässige Rücklagen für die Altersversorgung anerkannt werden. Denn der Unterhaltspflichtige darf von seinen Einkünften grundsätzlich neben der gesetzlichen Altersvorsorge eine zusätzliche Altersvorsorge betreiben, die unterhaltsrechtlich bis zu 4 % des Bruttoeinkommens betragen kann (BGH FamRZ 2005, 1817, 1821 f.; FamRZ 2007, 793, 795).
- Entsprechendes gilt auch für den Unterhaltsberechtigten.
- Auf diese Gesichtspunkte sollte im anwaltlichen Vortrag immer deutlich hingewiesen werden!