1. Streitgegenstand
Der Gegenstand eines arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahrens wird durch den gestellten Antrag und dem ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt bestimmt (zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff). Der Streitgegenstand erfasst alle Tatsachen, die ausgehend vom Standpunkt der Parteien bei einer natürlichen, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zu entscheidenden Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger dem Gericht unterbreitet hat (BAG, Urt. v. 21.11.2017 – 1 AZR 131/17, NZA 2018, 384). Die Streitgegenstandslehre ist keine zu vernachlässigende Rechtstheorie, sondern die grundlegende prozessuale Leitlinie (vgl. Weißenfels, NZA 2019, 810 und Niemann, NZA 2019, 65), um das Rechtsschutzverlangen konkret zu erfassen und damit eine richtige Antragstellung im Klageverfahren sicherzustellen. Der Zweite Senat führt hierzu aus (BAG, Urt. v. 26.9.2013 – 2 AZR 682/12, Rn 18 m.w.N.):
Zitat
"Der Umfang der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess bestimmt sich nach dem Streitgegenstand. Gegenstand einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 S. 1 KSchG ist die Frage, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aus Anlass einer bestimmten Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin aufgelöst worden ist. Die begehrte Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Kündigung. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht deshalb regelmäßig fest, dass jedenfalls bei Zugang der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat, das nicht schon zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst worden ist."
2. Falsche Antragstellung im Kündigungsschutzprozess, Antragsänderung
Verdeutlichen lässt sich das Vorstehende an der Änderungskündigung und dem nach § 4 S. 2 KSchG im Vergleich zur Beendigungskündigung abweichenden Klageantrag im Änderungskündigungsschutzverfahren (vgl. Niemann, NZA 2019, 65). Während der gegen die Beendigungskündigung gerichtete Antrag nach § 4 S. 1 KSchG lautet: "Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Arbeitgebers/der Beklagten mit Schreiben vom (Datum) nicht aufgelöst worden ist.", ist der Antrag im Fall der Änderungskündigung und Vorbehaltsannahme durch den Arbeitnehmer nach § 2 KSchG gem. § 4 S. 2 KSchG auf die Feststellung zu richten, "dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist".
"Im Eifer des Gefechts" geht in der Praxis hier oft Einiges durcheinander, wie die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts belegt. Schnell ist beim "Diktat nach Muster" oder der Vorbereitung einer "Standardkündigungsschutzklage" ein Beendigungsschutzantrag gestellt, obwohl tatsächlich abweichend nach erklärter Vorbehaltsannahme ohne Bestandsschutzrisiko (§ 2 KSchG), ein Vertragsinhaltsschutz auf Seiten des Arbeitnehmers verfolgt wird (vgl. BAG, Urt. v. 21.5.2019 – 2 AZR 26/19, vorgehend LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.11.2018 – 12 Sa 402/18). Sowohl das BAG als auch das LAG Düsseldorf vertreten die Auffassung, dass ein Arbeitnehmer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch zu einem Änderungsschutzantrag übergehen kann, wenn er bei einer unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Änderungskündigung nur einen Beendigungsschutzantrag erhebt. Und auch im umgekehrten Fall wahrt ein Änderungsschutzantrag nach § 4 S. 2 KSchG die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG für eine nachfolgende Beendigungskündigung, die vor dem oder zeitgleich mit dem "Änderungstermin" der ersten Kündigung wirksam werden soll, jedenfalls dann, wenn der Kläger die Unwirksamkeit der Folgekündigung noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz mit einem Antrag nach § 4 S. 1 KSchG geltend macht (vgl. BAG, Urt. v. 24.5.2018 – 2 AZR 67/18, NZA 2018, 1127). Dieses Ergebnis ist jedoch in erster Linie der Nähe der prozessualen Streitgegenstände sowie den §§ 6 (analog) und 7 KSchG geschuldet. Der sorgfältig arbeitende anwaltliche Berater sollte sich erst gar nicht der Diskussion und dem Risiko aussetzen, ob eine Antragsänderung mit Blick auf die Umstände des Einzelfalls möglich ist und rechtzeitig erfolgte. Er sollte im Interesse des Mandanten und im wohlverstandenen Eigeninteresse (Reputation und Haftung) nach umfassender, wohlüberlegter Prüfung direkt den richtigen Antrag stellen.
3. Parteiwille als Auslegungsmaßstab
Im Rahmen der Beurteilung der ordnungsgemäßen Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist der geäußerte Parteiwille, wie er aus der Klageschrift und den sonstigen Umständen erkennbar wird, entscheidend. Dabei ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein großzügiger Maßstab anzulegen, was von den Arbeitsgerichten erfahrungsgemäß auch so praktiziert wird. Die Darlegung aller klagebegründenden Tatsachen, wie die Erfüllung der kündigungsschutzrechtlichen Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 KSchG und § 23 Abs. 1 KSchG, gehört nicht zur Zulässigkeit der Kündigungsschutzklage, sondern zur Schlüssigkeit des Sac...