Ein Anwalt ist vormittags bei Gericht und nachmittags in Besprechungen – das bekommt man zumindest regelmäßig zu hören, wenn man versucht, ihn telefonisch zu erreichen. Neben dieser branchenüblichen Arbeitsweise gibt es inzwischen aber natürlich auch noch einige andere Variationen. So treten bspw. Anwältinnen und Anwälte, die hauptsächlich beratend tätig sind, nur sehr selten vor Gericht auf. Eine andere Möglichkeit ist die temporäre bzw. projektbezogene Mitarbeit in Unternehmen, also die Bereitstellung von Serviceleistungen einer "externen Rechtsabteilung". In diesem Zusammenhang ist zu beobachten, dass die Tätigkeit als sog. "Of-Counsel" immer beliebter zu werden scheint. Wikipedia ( https://de.wikipedia.org/wiki/Of_counsel, 30.7.2019) definiert diese Funktion wie folgt:
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Of counsel (engl. in beratender Funktion), oft kurz Counsel, ist die Bezeichnung für einen Berufsträger in einer Rechtsanwaltskanzlei oder einem ähnlichen Unternehmen, der außerhalb der unternehmensinternen Organisation nur zu bestimmten speziellen Aufgaben als Experte hinzugezogen wird. Eine als of counsel tätige Person ist zumeist eine erfahrene, namhafte und auf ein bestimmtes Rechts- oder Fachgebiet spezialisierte Persönlichkeit und betreibt die Tätigkeit nicht selten neben ihrem Hauptberuf. In einer großen Anwaltskanzlei wird der Begriff für Rechtsanwälte eingesetzt, die außerhalb der Hierarchie von Partnern/Sozien und angestellten Anwälten ("Associates") bei bestimmten Mandaten herangezogen werden – oft handelt es sich um Politiker oder Hochschullehrer, insbesondere solche im Ruhestand.
Dies kann also für beide Seiten vorteilhaft sein, sowohl für die Kanzlei als auch für den Counsel.
"Aus der Not eine Tugend zu machen" kann gerade bei Einzelanwälten so aussehen, dass sie eine "mobile Kanzlei" anbieten, ihren Mandaten also Zeit und Aufwand ersparen, indem sie bspw. zur Mandantschaft fahren und die Besprechung vor Ort stattfinden kann.
Die Kooperation von Rechtsanwälten kann ebenfalls in unterschiedlichster Art und Weise gestaltet werden, auch in dieser Hinsicht hat sich in den letzten Jahren Einiges getan. Ohne an dieser Stelle auf das weite Feld der gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten eingehen zu wollen, kann doch festgestellt werden, dass Sozietäten heutzutage anders aussehen als noch vor einigen Jahren. Das hat mit einem anderen Verständnis anwaltlicher Arbeitsweise und auch mit veränderten (berufs-)rechtlichen Rahmenbedingungen zu tun. So sind etwa bereits seit Anfang 2008 sog. Sternsozietäten erlaubt. Eine solche liegt vor, wenn Sozien einer weiteren Sozietät bzw. Bürogemeinschaft von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern oder Steuerberatern angehören (vgl. § 59a Abs. 1 BRAO).
Allerdings besteht nach wie vor eine Kanzleipflicht. Nach Maßgabe von § 5 BORA ist ein Anwalt dazu verpflichtet, die für seine Berufsausübung erforderlichen sachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen vorzuhalten. Die überwiegende Rechtsprechung geht noch immer davon aus, dass zu den Mindestanforderungen einer Kanzlei i.S.v. § 5 BORA folgende Kriterien gehören:
- ein Büroraum,
- ein Kanzleischild,
- ein betrieblicher Telefonanschluss sowie
- ein Briefkasten für Zustellungen.
Wie der BGH in seinem Beschl. v. 2.12.2004 (AnwZ (B) 72/02) festgestellt hat, muss ein Anwalt "zu angemessenen Zeiten dem rechtsuchenden Publikum in den Praxisräumen für anwaltliche Dienste zur Verfügung stehen". Es ist also gerade einmal gut 15 Jahre her, dass die Zulassung eines Rechtsanwalts, der gegen die Kanzleipflicht verstieß, durch den BGH widerrufen wurde. Zwar hatte die Verfassungsbeschwerde gegen diese Maßnahme letztlich Erfolg (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.2.2005 – 1 BVR 276/05), aber die Kanzleipflicht mit den o.g. Merkmalen besteht dem Grunde nach noch immer. Das Gesetz sieht in §§ 29 Abs. 1 S. 1, 29a Abs. 2 BRAO die Möglichkeit zur Befreiung von der Kanzleipflicht vor, dies ist aber natürlich an gewisse Voraussetzungen geknüpft. Dabei geht es jedoch primär um bestimmte Härtefälle, wie etwa Krankheit, Elternzeit, Auslandsfortbildung bzw. -tätigkeit o.Ä. Allerdings stehen die Möglichkeiten moderner Rechtsberatung bzw. Mandatsbearbeitung den normierten Zielen nicht entgegen, zumal auch die Mandanten verstärkt z.B. auf digitale Kommunikation bestehen – ein Rechtsanwalt ohne E-Mail-Zugang oder Smartphone gilt wohl als "Dinosaurier". Trotz aller berufs- oder datenschutzrechtlichen Bedenken wollen nicht wenige Mandanten "ihren" Anwalt via E-Mail, WhatsApp, Facetime oder Skype erreichen. Diese Entwicklung geht natürlich nicht spurlos an der Anwaltschaft vorbei. Die 6. Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat am 6.5.2019 eine Änderung von § 2 BORA beschlossen. Der neue Einschub in Abs. 2 soll wie folgt lauten (vgl. AnwBl. 6/2019, S. 330):
Zitat
Zwischen Rechtsanwalt und Mandant ist die Nutzung eines elektronischen oder sonstigen Kommunikationsweges, der mit Risiken für die Vertraulichkeit dieser Kommunikation verbunden ist, jedenfalls dann erlaubt, wenn der...