Die sozialgerichtlichen Verfahrensvorschriften minimieren die an die Klageerhebung zu stellenden Anforderungen, insb. im Vergleich zu anderen gerichtlichen Verfahrensordnungen. Angaben zum Inhalt der Klage ergeben sich aus § 92. Diese Bestimmung enthielt in der bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung ausschließlich Sollvorschriften. Nunmehr schreibt Abs. 1 in S. 1 zwingend Angaben zu den Beteiligten und des Klagegegenstands vor, die S. 2–4 umfassen weiterhin bloße Sollbestimmungen. Werden die in Abs. 1 geforderten Angaben nicht gemacht, berührt dies nicht die Zulässigkeit der Klage. Vielmehr hat in diesem Fall gem. Abs. 2 der Norm der Vorsitzende die Klägerseite zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist, deren Verlängerung ggf. beantragt werden kann (§ 65), aufzufordern. Dies kann nach S. 2 mit einer Ausschlussfrist geschehen, aber nur, wenn es an einem der in Abs. 1 S. 1 genannten Erfordernisse fehlt. Wird innerhalb der Ausschlussfrist keine Ergänzung dieser Angaben vorgenommen, ist nach überwiegender Auffassung die Klage als unzulässig abzuweisen (s. M-L/K/L/S/Schmidt, SGG, § 92 Rn 17). Bei unverschuldeter Fristversäumnis kann Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt werden (§ 90 Abs. 2 S. 3).
Hinweise:
- Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz ordnungsgemäßer Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt (§ 102 Abs. 2 S. 1). Diese Rücknahmefiktion kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses bestehen (s. näher M-L/K/L/S/Schmidt, SGG, § 102 Rn 8a-8c).
- Verspätetes Vorbringen des Klägers kann nach näherer Maßgabe der Präklusionsregelung in § 106a nach entsprechender, erfolgloser Aufforderung, Fristsetzung und Belehrung durch das Gericht zurückgewiesen werden. Es handelt sich um eine Vorschrift mit Ausnahmecharakter, die mit dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103) nur schwer vereinbar ist; von ihr sollte in der gerichtlichen Praxis nur in zurückhaltender Weise Gebrauch gemacht werden (M-L/K/L/S/Schmidt, SGG, § 106a Rn 2). Eine Präklusion im erstinstanzlichen Verfahren setzt sich im Berufungsverfahren fort (§ 157a).
Nach § 90 ist die Klage bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Zur Schriftform gehört grds. die eigenhändige Unterschrift (§ 126 Abs. 1 BGB), aus § 92 Abs. 1 S. 3 ergibt sich jedoch, dass im Sozialgerichtsverfahren die Unterschrift für eine wirksame Klageerhebung nicht zwingend ist. Die Klageerhebung kann etwa auch durch Telefax erfolgen, nicht aber durch E-Mail. Für die elektronische Form der Klageerhebung, die ebenfalls als eine gegenüber der Schriftform eigenständige Form möglich ist, gilt die besondere Vorschrift in § 65 a. Zu beachten ist, dass seit dem 1.1.2022 gem. § 65d S. 1 und 2 Rechtsanwälte, Behörden und nach dem SGG vertretungsberechtigte Personen – letztere, soweit ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 zur Verfügung steht – verpflichtet sind, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronische Dokumente zu übermitteln. Ausnahmen von dieser Verpflichtung bei vorübergehender technischer Unmöglichkeit, die unverzüglich glaubhaft zu machen ist, regeln S. 3 und 4 der Vorschrift.
ZAP F. 18, S. 817–824
Von Rechtsanwalt Dr. Ulrich Sartorius, Fachanwalt für Sozialrecht und für Arbeitsrecht, Breisach