Die aktuelle Hochwasserkatastrophe hat eine kontroverse Diskussion über die Frage ausgelöst, ob die Gebäudeversicherung und Hausratversicherung als Pflichtversicherungen eingeführt werden sollen.
Für eine Pflichtversicherung spricht es, dass dann alle Versicherungsnehmer umfassend versichert sind und bei Hochwasserschäden auf die Hilfe durch den Staat nicht angewiesen sind. In Österreich befürworten selbst die Versicherer eine derartige Pflichtversicherung. Gegen eine Pflichtversicherung spricht das in Deutschland herrschende Prinzip der Vertragsfreiheit. Unsere Rechtsordnung kennt Pflichtversicherungsverträge nahezu ausschließlich im Haftungsrecht. Kraftfahrzeugversicherer, Angehörige freier Berufe und Betriebe müssen eine Haftpflichtversicherung unterhalten, damit Geschädigten ein solventer Versicherer als Schuldner gegenübersteht. Nur in zweiter Linie ist auch der Versicherungsnehmer geschützt, da Haftpflichtversicherer ihn von seinen Verpflichtungen freizustellen haben. Demgegenüber gibt es Pflichtversicherungen zugunsten des Versicherungsnehmers nur in Ausnahmefällen wie bei der Krankenversicherung, Rentenversicherung und Pflegeversicherung.
Weniger als die Hälfte aller Hochwassergeschädigten haben eine umfassende Elementarversicherung. Schäden durch Blitzschlag, Hagel und Explosionen gehören zur Standarddeckung, während Schäden wegen Überschwemmung, Erdrutsch oder Lawinen gerade nicht versichert sind. Viele Versicherungsnehmer haben diese Deckungslücke erst beim Eintritt des Schadens bemerkt, andere haben deshalb keinen umfassenden Versicherungsschutz, weil sich ihr Gebäude in einem Risikogebiet befindet, für das viele Versicherer keinen Versicherungsschutz oder allenfalls zu horrende Prämien anbieten.
Einige Hausratversicherer und Gebäudeversicherer bieten eine Allgefahrendeckung an, in der alle Schäden an Gebäuden und Hausrat ohne Rücksicht auf die Schadensursache entschädigt werden. Statt einer Pflichtversicherung sollten alle Versicherer sich verpflichten, Allgefahrendeckung anzubieten oder alle Anträge auf umfassende Elementarversicherung anzunehmen. Damit diese Verpflichtung nicht durch überhöhte Prämien ausgehöhlt wird, müsste der Risikozuschlag für eine umfassende Elementarversicherung auf 20 % der Grundprämie beschränkt werden.
Wenn alle Gebäudeversicherer und Hausratversicherer Allgefahrendeckung und auch Deckungsschutz für alle Elementarschäden anbieten, würde das Risiko von Hochwasserschäden auf alle Versicherungsnehmer gleichmäßig verteilt werden.
Das gesamte Versicherungsrecht beruht auf dem Grundsatz der Gefahrengemeinschaft: Eine Vielzahl von Versicherungsnehmern sorgt durch ihre Prämien dafür, dass die Versicherungsnehmer entschädigt werden, die einen Schadenfall erleiden.
Anstelle einer Pflichtversicherung ist es sinnvoll und ausreichend, dass alle Gebäudeversicherer und Hausratversicherer verpflichtet sind, entsprechende Anträge auf umfassenden Versicherungsschutz anzunehmen. Eine derartige Annahmepflicht gibt es bereits in § 5 Abs. 2 PflVG. Nach dieser Vorschrift müssen alle Kraftfahrzeugversicherer einen Antrag auf Abschluss einer Haftpflichtversicherung annehmen, es sei denn, der Antragsteller hat sich gegenüber dieser Versicherung vertragswidrig verhalten, beispielsweise durch arglistige Täuschung oder Nichtzahlung der Prämie gem. § 5 Abs. 4 PflVG.
Die Versicherungswirtschaft kann einen gesetzlich geregelten Kontrahierungszwang dadurch vermeiden, dass die Gebäudeversicherer und Hausratversicherer sich in einer geschäftsplanmäßigen Erklärung verpflichten, diese Sparten nur mit Allgefahrendeckung anzubieten oder alle Anträge auf umfassende Elementarversicherung anzunehmen und einen insoweit anfallenden Prämienzuschlag auf 20 % der Grundprämie zu beschränken.
Rechtsanwalt Dr. Hubert W. van Bühren, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Köln
ZAP F., S. 843–844