An dem Vorhaben des Bundesjustizministeriums für einen verbesserten Schutz vor allem von Vollstreckungsbeamten, Rettungskräften und ehrenamtlich tätigen Personen (s. dazu auch ZAP 2024, 698 f.) hat die Neue Richtervereinigung heftige Kritik geübt. In ihrer offiziellen Stellungnahme zum Referentenentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches führt die NRV aus, dass das Vorhaben überflüssig und in weiten Teilen systemwidrig wäre.
Geplant ist, im StGB die §§ 46 (Grundsätze der Strafzumessung) und 113 (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) zu ändern. Damit soll u.a. der Schutz ehrenamtlich tätiger Personen verbessert werden, indem künftig bei der Strafzumessung auch berücksichtigt werden soll, ob die Auswirkungen der Tat geeignet sind, eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Zudem soll der Strafschärfungsgrund des „hinterlistigen Überfalls” in das StGB aufgenommen werden. Erklärtes Ziel des Ministeriums ist es, den Schutz des Personenkreises zu verbessern, der sich für das Gemeinwesen besonders engagiert.
Die Neue Richtervereinigung kritisiert zum einen, dass die geplanten Gesetzesänderungen überflüssig sind; bereits nach der geltenden Gesetzeslage gebe es ausreichend Möglichkeiten, den Taten, die das BMJ offenbar vor Augen gehabt habe, angemessen zu begegnen. So sei es bereits jetzt möglich, die verschuldeten (auch außertatbestandsmäßigen) Auswirkungen der Tat, die Beweggründe und Ziele des Täters (beispielsweise eine Einschüchterung des Opfers oder Dritter) und die Gesinnung, die aus der Tat spreche (etwa die Ablehnung der Demokratie), bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.
Zum anderen würden die verwendeten neuen Tatbestandsmerkmale (z.B. die gemeinwohldienliche Tätigkeit) das insbesondere im Strafrecht nötige Maß an Gesetzesbestimmtheit reduzieren und damit die Rechtssicherheit schwächen. So sei der Begriff des Gemeinwohls viel zu weit und nicht sinnvoll konkretisierbar. Bis zu einer Konkretisierung durch die Oberlandesgerichte und den BGH, die sich erst anhand einer ganzen Reihe von Entscheidungen herausbilden werde, würde bei den Tatgerichten eine erhebliche Rechtsunsicherheit herrschen. Überhaupt sei es zweifelhaft, ob eine solche Konkretisierung am Ende sinnvoll gelingen könne. Zudem bestehe die Gefahr, dass sich der Deliktscharakter der entsprechenden Taten verschiebe, indem aus Erfolgsdelikten auch potenzielle Gefährdungsdelikte würden und die Gefährdung sich teilweise auf außertatbestandliche Rechtsgüter erstrecke.
Insgesamt werten die Richter das Gesetzesvorhaben als „Symbolik”. Die vom BMJ angestrebte „Signalwirkung”, die sich in erster Linie an die Justiz selbst richtet und bei Gerichten und Ermittlungsbehörden für eine noch stärkere Sensibilisierung für außertatbestandsmäßige Folgen bestimmter Taten sorgen solle, erscheine überflüssig. Dieses Ziel könne eher durch entsprechende Fortbildungsangebote innerhalb der Justiz erreicht werden.
[Quelle: NRV]