I. Vorbemerkung
Eine Außenprüfung ist gem. § 193 AO zulässig bei Steuerpflichtigen, die einen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten, die freiberuflich tätig sind sowie bei Steuerpflichtigen, bei denen die Summe der positiven Einkünfte mehr als 500.000 EUR im Kalenderjahr beträgt und dient der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen sowie der Beurteilung steuerlich bedeutsamer Sachverhalte, um eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen.
Dabei können Außenprüfungen eine oder mehrere Steuerarten (z.B. die Einkommen- und die Umsatzsteuer, bei Gewerbebetrieben auch die Gewerbesteuer) für ein oder mehrere Kalenderjahre umfassen. Hierbei werden die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgebend sind, zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen geprüft.
Die Finanzbehörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und wann eine Außenprüfung durchgeführt wird. Die Auswahl der zu prüfenden Steuerpflichtigen erfolgt durch die Betriebsprüfungsstelle des jeweils zuständigen Finanzamts aufgrund von Prüfungsersuchen der Veranlagungsstelle oder von branchenbezogenen und sonstigen Erfahrungen der Betriebsprüfung (sog. gezielte Fallauswahl), teilweise aber auch nach dem Zufallsprinzip.
Bundesweit wurden 2016 durch 13.746 Betriebsprüfer nur 186.472 Unternehmen – also 2,4 % der erfassten Betriebe – steuerlich geprüft. Wegen der faktischen Unmöglichkeit, alle unter § 193 Abs. 1 AO fallenden Steuerpflichtigen vollständig und gleichermaßen zu prüfen, ist die Entscheidung darüber, wer von diesem Adressatenkreis wann geprüft wird, in das Auswahlermessen der Finanzbehörde gestellt worden (BFH, Urt. v. 2.10.1991 – X R 89/89, BFHE 166, 105).
Statistisch gesehen werden sog. Mittelbetriebe (mit einem Umsatz von mehr als 990.000 EUR oder einem Gewinn von mehr als 165.000 EUR) nur alle 15 Jahre, Kleinbetriebe (mit einem Umsatz von mehr als 210.000 EUR oder einem Gewinn von mehr als 44.000 EUR) sogar nur alle 31 Jahre geprüft (vgl. BMF-Statistik der steuerlichen Betriebsprüfung 2016). Welcher Steuerpflichtige wann geprüft wird, lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten. Eine auf zeitliche Vorhersehbarkeit von Außenprüfungen zielende Selbstbindung der Verwaltung würde im Übrigen auch dem mit der Außenprüfung verfolgten Ziel widersprechen, durch ihre präventive Wirkung zur richtigen Steuererhebung beizutragen (BFH a.a.O.).
II. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte nach der Abgabenordnung
1. Grundsatz
Verteidiger, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Steuerbevollmächtigte und vereidigte Buchprüfer sind aufgrund gesetzlicher Vorschriften (vgl. § 43a Abs. 2 BRAO, § 57 Abs. 1 StBerG, § 43 Abs. 1 WPO, § 18 Abs. 1 BNotO) zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Hinweis:
Berufsgeheimnisträger dürfen gem. § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b AO über das, was ihnen in ihrer jeweiligen Eigenschaft anvertraut wurde oder bekannt geworden ist, die Auskunft auch gegenüber den Finanzbehörden verweigern.
Kein Auskunftsverweigerungsrecht haben jedoch Rechtsbeistände, Prozessagenten, Syndizi, Berufskammern und sonstige Juristen, die nicht als Rechtsanwalt zugelassen sind (Klein/Rätke, AO, 13. Aufl. 2016, § 102 Rn 12; BFH, Urt. v. 19.12.2006 – VII R 46/05, NJW 2007, 1305 – zu Berufskammern).
Im Rahmen von Außenprüfungen der Finanzverwaltung, denen auch Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und andere Berufsgeheimnisträger i.S.v. § 102 Abs. 1 Nr. 3 AO unterliegen, stellt sich daher regelmäßig die Frage, welche Auskünfte der zur Verschwiegenheit verpflichtete Berufsgeheimnisträger erteilen darf und welche Unterlagen er dem Prüfer vorlegen muss.
2. Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 102 AO
Das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 102 AO gilt für eigene und fremde Steuersachen des Berufsgeheimnisträgers (BFH, Beschl. v. 11.12.1957 – II 100/53 U, NJW 1958, 646; Urt. v. 28.10.2009 – VIII R 78/05, BRAK-Mitt. 2010, 86). Es umfasst sowohl die Identität des Mandanten als auch die Tatsache seiner Beratung (vgl. BFH, Urt. v. 14.5.2002 – IX R 31/00, NJW 2002, 2903; v. 8.4.2008 – VIII R 61/06, NJW 2008, 2366; Beschl. v. 24.8.2006 – I S 4/06, BFH/NV 2006, 2034).
Soweit ein Berufsgeheimnisträger jedoch von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden wurde, darf er gem. § 102 Abs. 3 AO die Auskunft gegenüber den Finanzbehörden nicht verweigern (BFH, Beschl. v. 24.8.2006 – I S 4/06, a.a.O.; Urt. v. 8.4.2008 – VIII R 61/06, a.a.O.; v. 28.10.2009 – VIII R 78/05, a.a.O.). Dies gilt auch für etwaige Hilfspersonen des Berufsgeheimnisträgers, also z.B. Rechtsanwaltsfachangestellte oder juristische Mitarbeiter.
Daher darf ein Rechtsanwalt, der Beratungsleistungen an im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer erbracht hat und die ihm ihre USt-Identifikationsnummer mitgeteilt habe...