Zum 1.1.2024 ist das 158 Vorschriften umfassende Sozialgesetzbuch, 14. Buch – Soziale Entschädigung (SGB XIV; §§ ohne nähere Bezeichnung sind im Folgenden solche des SGB XIV), Art. 1 des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts (G-SER) v. 12.12.2019 (BGBl 2019 I, S. 2652), soweit nicht bereits vorab geltend, vollständig in Kraft getreten (zur bis in das Jahr 2013 zurückreichenden Gesetzesgeschichte s. Knickrehm, ASR 2021, 241, 242 f.). Das SGB XIV gilt nunmehr als Leitgesetz des Sozialen Entschädigungsrechts (SER).
Hinweis:
Das G-SER hat zu zahlreichen Änderungen in weiteren Gesetzen geführt, vgl. den Überblick bei Knickrehm/Mushoff/Schmidt, Das neue Soziale Entschädigungsrecht – SGB XIV, 2020, Rn 446 ff. Zu beachten ist insb. Art. 60 G-SER, der gestaffelt von „rückwirkend zum 1.1.2018” bis zum 1.1.2024 das Inkrafttreten der erfolgten Änderungen regelt, s. Knickrehm, ASR 2021, 241, 245 f.
Das SGB soll nach § 1 Abs. 1 SGB I zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Sozialleistungen gestalten. Es soll dazu beitragen, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern und u.a. besondere Belastungen des Lebens abzuwenden oder auszugleichen. So gehörte bereits seit dem Inkrafttreten des SGB I am 1.1.1976 zu den sozialen Rechten (§ 2 SGB I) das Recht auf soziale Entschädigung nach § 5 SGB I. Absatz 1 dieser Norm bestimmt: Wer einen Gesundheitsschaden erleidet, für dessen Folgen die staatliche Gemeinschaft in Abgeltung eines besonderen Opfers oder aus anderen Gründen nach (bis 31.12.2023: versorgungsrechtlichen) Grundsätzen (seit 1.1.2024:) des SER einsteht, hat ein Recht auf:
- die notwendigen Maßnahmen zur Erhaltung, zur Besserung und zur Wiederherstellung der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit und
- angemessene wirtschaftliche Versorgung.
Das insoweit bestehende Leistungsspektrum bzw. die Zuständigkeit der Leistungsträger ergibt sich im SGB I aus § 24 SGB I, aktuell in der seit dem 1.1.2024 geltenden Fassung.
Bis zur Einordnung in das SGB gelten nach Maßgabe des § 68 Nr. 7 SGB I Gesetze, die eine entsprechende Anwendung der Leistungsvorschriften des SGB XIV vorsehen – insb. die dort unter a–d genannten – als besondere Teile des SGB.
Im SGB XIV sind gem. § 1 Abs. 2 Geschädigte solche Personen, die durch schädigende Ereignisse nach diesem Buch unmittelbar eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben. Diese sind in den Entschädigungstatbeständen der §§ 13–24 angeführt. Die so Geschädigten konnten auch vor dem 1.1.2024 Entschädigungsansprüche geltend machen – allerdings nach verschiedenen Gesetzen, so nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), dem Opferentschädigungsgesetz (OEG), dem Zivildienstgesetz (ZDG) oder dem Infektionsschutzgesetz (IfSG). Die Reform des SER war vor allem deshalb geboten, weil die Regelungen des früheren „Leitgesetzes des SER” – des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (BVG) – ausschließlich an der Versorgung der Kriegsopfer des Ersten und Zweiten Weltkriegs ausgerichtet waren (zur historischen Entwicklung dieses Gesetzes s. Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, Vorbem. 1 ff., vor §§ 1 BVG). Auch das aus dem Jahre 1976 stammende OEG – das für die Entschädigungsansprüche der Opfer von Gewalttaten auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften des BVG verwies – wurde hinsichtlich der dort definierten Entschädigungstatbestände den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen nicht mehr gerecht (s. zur Kritik Knickrehm/Mushoff/Schmidt, a.a.O., Rn 4). Der Gesetzgeber hat das OEG teilweise im Vorgriff auf die neuen Vorschriften des SGB XIV bereits vor dem 1.1.2024 im G-SER geändert.
Außer Kraft getreten sind zum 1.1.2024 das BVG, das OEG, die §§ 47, 47b ZDG, §§ 60–64 IfSG und weitere Bestimmungen des bisherigen SER, etwa u.a. Art. 58 G-SER.
Die Entschädigung für Soldaten vollzieht sich allerdings derzeit noch nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Zum 1.1.2025 soll das Gesetz über die Entschädigung der Soldatinnen und Soldaten und zur Neuordnung des Soldatenversorgungsrechts – SEG – in Kraft treten (BGBl 2021 I, S. 3932; s. auch § 24a SGB I i.d.F. ab 1.1.2025). Die Normen des SEG richten sich nur teilweise an dem SGB XIV aus.
Hinweis:
Diese Abhandlung kann nur einen Überblick zum neuen Sozialen Entschädigungsrecht geben. Für Detailfragen ist etwa zu verweisen auf Knickrehm/Rademacker, LPK-SGB XIV (die 2. Aufl. ist bis Redaktionsschluss angekündigt); ferner auf Knickrehm/Mushoff/Schmidt, Das neue Soziale Entschädigungsrecht – SGB XIV, 2021. Eine Übersicht zum neuen Recht findet sich bei Knickrehm, ASR 2021, 241; ASR 2022, 12. Elektronisch abrufbar beim Netzwerk Sozialrecht sind drei kürzere Beiträge Knickrehms vom 11.1.2024 (vgl. https://netzwerk-sozialrecht.net/?s=knickrehm) zu:
- Aus „alt” mach „neu” – vom BVG zum SGB XIV;
- Im Fokus des SGB XIV: Schnelle Hilfen und erleichterte Verfahren bei psychischen Schäden;
- Erweiterter Gewaltbegriff im SGB XIV: Gewalttat ohne tätliche Gewalt.