Nach wie vor kontrovers diskutiert wird die Frage, welche Zeiten bei der Berechnung des Längenzuschlags zu berücksichtigen sind.
(1) Beginn
Hinsichtlich des Beginns der zu berechnenden Zeitdauer ist nach überwiegender Auffassung auf die Ladungszeit und nicht auf einen tatsächlich späteren Beginn abzustellen, da der Verteidiger sich bereithalten muss und die Wartezeit nicht sinnvoll nutzen kann. Voraussetzung ist allerdings, dass der Anwalt zur anberaumten Zeit auch erschienen ist. Erscheint er selbst erst später, dann ist erst die Zeit ab seinem Eintreffen zu berücksichtigen:
Rechtsprechungshinweise:
- "Als Beginn der Hauptverhandlung ist bei der Entscheidung über einen Längenzuschlag der terminierte und nicht der tatsächliche Verhandlungsbeginn am Sitzungstag anzusetzen" (OLG Celle, Beschl. v. 12.8.2016 – 1 Ws 297/16, ZAP EN-Nr. 748/2016 = RVGreport 2017, 16 = AnwBl 2017, 672).
- "Die für den Längenzuschlag des Pflichtverteidigers maßgebliche Hauptverhandlungsdauer berechnet sich ab der angesetzten Terminstunde und nicht nach dem tatsächlichen Beginn der Hauptverhandlung" (OLG Köln, Beschl. v. 27.3.2012 – 2 Ws 227/12, AGS 2012, 233 = StraFo 2012, 249).
Nach der vereinzelt vertretenen Gegenauffassung ist dagegen der tatsächliche Beginn maßgebend:
Rechtsprechungshinweis:
"Bei der Frage, wie lange ein Verteidiger im Sinne von Nr. 4110 VV RVG an der Hauptverhandlung teilgenommen hat, ist auf den tatsächlichen Beginn der Hauptverhandlung abzustellen, nicht auf die Ladungszeit" (AG Pirmasens, Beschl. v. 6.1.2016 – 1 Ls 4372 Js 13002/13 jug).
(2) Unterbrechungen (ohne Mittagspause)
Unterbrechungen außerhalb der Mittagspause sollen nach OLG Celle abzuziehen sein:
Rechtsprechungshinweis:
"Bei der Berechnung der Hauptverhandlungsdauer für die Entscheidung über einen Längenzuschlag zur Terminsgebühr des Verteidigers sind Pausen von über einer Stunde Dauer in Abzug zu bringen. Sitzungsunterbrechungen bis zu einer Dauer von einer Stunde bleiben demgegenüber mit Ausnahme der Mittagspause unberücksichtigt" (OLG Celle, Beschl. v. 12.8.2016 – 1 Ws 297/16, ZAP EN-Nr. 748/2016 = RVGreport 2017, 16 = AnwBl 2017, 672).
(3) Mittagspause
Strittig ist die Behandlung einer Mittagspause. Nach einer Auffassung sollen Zeiten für die Mittagspause nicht abgezogen werden:
Rechtsprechungshinweise:
- "Bei der Ermittlung der für die Zusatzgebühr nach Nr. 4122 VV RVG maßgeblichen Dauer der Hauptverhandlung ist eine Mittagspause nicht in Abzug zu bringen" (OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.8.2016 – 2 Ws 76/16, Rpfleger 2017, 241 = RVGprof. 2016, 189 = RVGreport 2017, 142 = AnwBl 2017, 672).
- "Die Zeit einer angemessenen Mittagspause ist bei der Ermittlung der für die Zusatzgebühr nach Nr. 4122 VV RVG maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer nicht in Abzug zu bringen (Anschluss OLG Karlsruhe, 10.10.2013, 1 Ws 166/12, StraFo 2014, 39 und OLG Stuttgart, 27.7.2012, 5 Ws 33/12, StraFo 2012, 384)" (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.11.2015 – III-1 Ws 358/15, AGS 2016, 169).
Nach überwiegender Auffassung ist die Zeit der Mittagspause beim Längenzuschlag nicht zu berücksichtigen, also in Abzug zu bringen:
Rechtsprechungshinweis:
"Die Zeit einer Mittagspause ist bei der Berechnung der Hauptverhandlungsdauer unabhängig von der Pausendauer stets in Abzug zu bringen" (OLG Celle, Beschl. v. 12.8.2016 – 1 Ws 297/16, ZAP EN-Nr. 748/2016 = RVGreport 2017, 16 = AnwBl 2017, 672).
Anders verhält es sich, wenn sich die geplante Mittagspause unerwartet verlängert. Diese Zeit ist dann wiederum zu berücksichtigen:
Rechtsprechungshinweis:
"1. |
Die Mittagspause ist nicht in den Längenzuschlag einzurechnen (Anschluss OLG Koblenz, 6. 2. 2006 – 2 Ws 70/06, NJW 2006, 1149). |
2. |
Hat sich jedoch ein Verfahrensbeteiligter (hier: ein Sachverständiger) beim Mittagessen verspätet und verzögert sich dadurch die geplante Fortsetzung der Hauptverhandlung (hier: um 15 Minuten), ist die Wartezeit ausnahmsweise in die Dauer der Hauptverhandlung einzurechnen" (LG Ingolstadt, Beschl. v. 8.4.2016 – 1 Ks 11 Js 13880/13, ZAP EN-Nr. 427/2016 = zfs 2016, 467 = AGS 2017, 181 = RVG prof. 2016, 142 = RVGreport 2016, 384). |
Autor: Rechtsanwältin Lotte Thiel, Koblenz
ZAP F. 24, S. 1023–1032