"Die sog. Berliner Tabelle für die ordentliche Gerichtsbarkeit und die Sachsen-Tabelle für die Fachgerichtsbarkeiten sind die am besten gehüteten Geheimnisse der bundesdeutschen Justiz. Sie sind vertraulich und werden so streng gehütet wie als geheim gestempelte Papiere des Verfassungsschutzes." Das schrieb kürzlich der bekannte Journalist und Jurist Joachim Wagner, der sich seit vielen Jahren mit der deutschen Justiz befasst (vgl. NJW-aktuell 24/2017, S. 18).
Wer die Tabellen studiere, so Wagner, erkenne schnell die Gründe für den rigiden Vertrauensschutz. Für einschlägige Parameter – Eingänge, Erledigungen, Bestände, Art der Erledigungen und Dauer der Verfahren – stellten sie eine Art Bundesligatabelle für die Judikative auf, mit Spitzenreitern, Mittelfeld und Schlusslichtern. Dies gefalle nicht jeder Landesjustizverwaltung, insbesondere nicht denjenigen, deren schlechte Zahlen damit offenkundig würden. Die eingangs genannten Tabellen seien daher nicht einmal dem Deutschen Richterbund vollständig bekannt, so schrieb Wagner an anderer Stelle.
Das könne nicht sein, dachte sich ein Kollege angesichts von Wagners Erkenntnissen. Immerhin sind die Berliner- und die Sachsen-Tabelle Informationen der Justizverwaltung und diese unterliegen dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das es mittlerweile seit mehr als zehn Jahren gibt (vgl. zum IFG auch Braun ZAP F. 19, S. 673 ff.). Er klagte vor dem VG Köln auf Einsicht in die Tabellen der zurückliegenden Jahre – und unterlag (Az. 13 K 2254/18).
Auf die Einzelheiten des Verfahrens, das auch von teilweisen Erledigungserklärungen und Antragsumstellung geprägt war, soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Immerhin scheint die Lektüre des Urteils Wagners These, dass die Justiz sich mit Händen und Füßen gegen eine Veröffentlichung der Tabellen wehrt, zu bestätigen. So erhielt der Kläger im Laufe des Verfahrens zunächst nur die teilweise geschwärzte Fassung für ein einzelnes zurückliegendes Jahr. Für aktuellere Jahre hieß es, lägen noch keine "konsolidierten", sondern nur "vorläufige Fassungen" vor, an denen noch korrigiert werde.
Das VG schließlich argumentierte ähnlich: Im Rechtssinne seien die gewünschten Informationen zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht vorhanden gewesen, mit anderen Worten: Der Kläger habe zu früh geklagt.
Immerhin: Aus den Entscheidungsgründen wird deutlich, dass der Justiz durchaus bewusst ist, dass ihre bisher höchst inoffiziellen Berliner- und Sachsen-Tabellen dem IFG unterliegen und dass die Einsicht gerichtlich einklagbar ist. Leider lässt die Entscheidung des VG Köln auch vermuten, dass mit allerlei Ausflüchten und Finessen der Justizverwaltung (und vielleicht auch des erkennenden Gerichts) zu rechnen ist, wenn ein Bürger seinen Auskunftsanspruch tatsächlich durchsetzen möchte.
[Red.]