Am 11. September fand im Berliner Kammergericht eine Podiumsdiskussion zum Thema "Fehlerkultur in der Justiz" statt. Unter der Moderation einer Journalistin diskutierten Juristen aus Rechtspflege und Wissenschaft, ob sich beim Umgang der Gerichte mit eigenen Fehlern etwas ändern muss. Dass es bisher tatsächlich kein Nachdenken über eine Fehlerkultur – anders als etwa bei Anwälten – gibt, gab der Präsident des LG Berlin, Holger Matthiesen, bereits in seinem Eingangsstatement zu. Allerdings, so Matthiesen, existiere auch kaum mehr Fehlerkontrolle als in der Justiz. Zur Begründung verwies er darauf, dass alle Justizangehörigen der Dienstaufsicht unterliegen. Dies sei auch dort gegeben, wo diese an die Grenzen komme, nämlich an der richterlichen Unabhängigkeit, "throne förmlich die Überprüfung im Instanzenzug".
Die Richterin am Berliner Verfassungsgerichtshof Margarete von Galen lenkte demgegenüber den Blick auf die Unterschiede in den Auswirkungen eines fehlerhaften Verhaltens für Richter und Anwälte. Während Anwälten die Haftung drohe, seien Richter durch das Spruchrichterprivileg und die hohen Anforderungen an den Rechtsbeugungsvorsatz geschützt. Darin sieht von Galen einen Grund für eine ihrer Ansicht nach fehlende Fehlerkultur. Die Anhörungsrüge sei regelmäßig erfolglos und als "totes Recht" anzusehen. Auch eine an sich notwendige Offenheit fehle, die sich etwa in der fehlenden Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung zeige. Im Umgang mit fehlerhaften Haftentscheidungen, die doch für die Betroffenen in erheblichem Maße einschneidend seien, fehle eine notwendige Aufarbeitung, die auch für die betroffenen richterlichen Entscheider wichtig sei. Insoweit sei Hilfe wie Supervision wünschenswert, an der es fehle. Dass Anwälte sich Fehler wünschten, konnte von Galen nicht bestätigen. Der Wunsch der Anwälte gehe eher dahin, dass eine erkennbare Auseinandersetzung mit dem anwaltlichen Vortrag stattfinde.
Dass der offene Umgang mit eigenen Fehlern in der Justiz derzeit eher schwach ausgeprägt ist, war auch die Meinung von Prof. Fabian Wittrek von der Universität Münster. Er verwies auf den Umgang mit Befangenheitsanträgen und die Selbstkorrektur i.F.v. Wiederaufnahmeverfahren. Dies sei aber auch nicht wirklich verwunderlich, weil hier soziologisch der Gruppengedanke wirke, der den Einzelnen vor Angriffen schütze, solange der Verstoß nicht die Gruppe gefährde, so Wittreck. Er bestätigte, dass es bisher an belastbaren wissenschaftlichen Studien zu der Frage einer Fehlerkultur in der Justiz fehle. Dies wolle er aber alsbald durch die Vergabe von entsprechenden Promotionsthemen ändern.
[Quelle: DRB]