1. Die Einordnung von Bürodienstleistungszentren
Anschriften in Bürodienstleistungszentren sind vereinzelt ein charmanter Versuch, das Prinzip einer Briefkastenfirma auf die Verhältnisse einer Rechtsanwaltsausübung zu übertragen.
Das einfache Aufstellen von Briefkästen, so wie wir es von typischen legalen Briefkastenfirmen kennen (die illegale Begehungsform von Briefkästen in nicht selten steuerbegünstigten Ländern sollen hier erst gar nicht thematisiert werden), ist nach § 27 Abs. 1 BRAO für Rechtsanwälte in jedem Fall untersagt. Der Rechtsanwalt muss jedenfalls seiner Kanzleipflicht nachkommen. Die Kanzleipflicht dient dazu, die Erreichbarkeit des Anwalts für das rechtsuchende Publikum, Berufskollegen, Gerichte und Behörden sicherzustellen. Von einer Kanzlei im Rechtssinne kann daher nur bei Vorhandensein organisatorischer Maßnahmen gesprochen werden, die der Öffentlichkeit den Willen des Anwalts offenbaren, anwaltliche Dienstleistungen bereitzustellen (BGH, Beschl. v. 20.10.2014 – AnwZ (Brfg) 32/13, BeckRS 2014, 20924 Rn 11; BGH, Beschl. v. 6.7.2009 – AnwZ (B) 26/09, NJW-RR 2009, 1577 Rn 5). Der Rechtsanwalt muss dem rechtsuchenden Publikum in den Praxisräumen zu angemessenen Zeiten für anwaltliche Dienste zur Verfügung stehen (BGH, Beschl. v. 6.7.2009 a.a.O.). Letzteres ist nicht der Fall, wenn die Praxisräume zur Wahrung anwaltlicher Pflichten – wie der Verschwiegenheitspflicht gem § 43a Abs. 2 BRAO – ungeeignet sind (vgl. hierzu Siegmund in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 27 BRAO Rn 19).
Grundsätzlich keine Bedenken stellen sich, wenn ein Rechtsanwalt seine Kanzlei i.S.v. § 27 Abs. 1 BRAO in die Räumlichkeiten eines Bürodienstleistungscenters legt. Die sich damit weiter stellenden Probleme in den Bereichen des Datenschutzes und/oder anwaltlichen Verschwiegenheit und/oder Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, müssen dabei natürlich beachtet werden. Denn er bedient sich letztlich der Infrastruktur eines Dritten. So ist eine berufliche Zusammenarbeit mit anderen Berufen nur dann nach § 30 BORA und § 59a BRAO möglich, wenn diese auch das anwaltliche Berufsrecht beachten.
Es kommt also immer entscheidend darauf an, wie ein Bürodienstleistungszentrum für die Ausübung der eigenen anwaltlichen Tätigkeit genutzt wird. Gilt sie nur als eine Briefkastenanschrift und finden Rufumleitungen von dort aus statt, handelt es sich um eine unzulässige Kanzlei nach § 27 BRAO.
Es ist in jedem Fall berufsrechtswidrig und wettbewerbswidrig (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG), wenn ein Rechtsanwalt Anschriften an Bürodienstleistungszentren anmietet, dort aber nicht physisch präsent ist, diese aber als "Kanzleistandort" bzw. "Zweigstelle" bezeichnet.
Bereits das Anwaltsgericht Hamburg hatte mit Entscheidung vom 28.5.2015 (I AnwG 2/15) in einem Fall eine irreführende Werbung gesehen, in dem eine Kanzlei an insgesamt sieben norddeutschen Orten jeweils einen "Standort" behauptete. In den Entscheidungsgründen heißt es:
Zitat
"Betrachtet man die einzelnen "Standorte" genauer, so stellt man fest, dass es sich nur bei der Niederlassung in Hamburg um eine eigenständige Kanzlei handelt. An den anderen Orten werden lediglich Besprechungsräumlichkeiten vorgehalten, was aber erst bei genauem Studium der Homepage auffällt. Der Rechtsuchende wird unter der Bezeichnung "Standort" sowie dem Angebot einer entsprechenden Rechtsberatung vor Ort, jedoch regelmäßig eine Kanzlei oder zumindest ein von einem Anwalt besetztes Büro erwarten. Die Bezeichnung als "Standort" ist damit irreführend. Mit dieser Werbung wird eine Größe und Tätigkeit der Kanzlei des Rechtsanwalts vermittelt, die tatsächlich so nicht besteht."
Das KG (a.a.O.) hatte jüngst über einen solchen Fall auch wettbewerbsrechtlich zu entscheiden. Ein Einzelrechtsanwalt, der sich der Hilfe von zwei bis vier freien Mitarbeitern bedient, verwendete einen Briefbogen und einen Internetauftritt, in dem er über 30 "Kanzleistandorte" angab. Überwiegend handelte es sich dabei um Anschriften von Büro-Dienstleistungszentren, so etwa in Hamburg, Stuttgart und Bielefeld, bei denen er gegen Zahlung von ungefähr 200 EUR monatlich eine Postanschrift angemietet hat. Es haben sich vielfältige Anbieter für virtuelle Büros auf dem Markt angesiedelt, etwa die Firmen Regus, Ecos oder AllOfficeCenters, die damit werben, "Geschäftspartner und Kunden mit einer repräsentativen Geschäftsadresse zu beeindrucken" (vgl. https://www.allofficecenters.de/de/virtuelles-buero [abgerufen am 24.9.2019]). Dort eingehende Post wird dem Rechtsanwalt an seine Kanzlei nach Düsseldorf nachgeschickt. Überwiegend gab er als Telefonnummer bei diesen Anschriften eine einheitliche 0800-Telefonnummer an oder arbeitete mit Rufumleitungen, die von solchen Bürodienstleistungszentren mitunter ebenfalls angeboten werden.
An dem jeweiligen Bürodienstleistungszentrum kann gegen zusätzliches monatliches Entgelt ein Kanzleischild am Eingang angebracht werden. Am Empfangstresen befindet sich eine Mitarbeiterin des Bürodienstleistungszentrums, die zugleich auch eingehende Post...