1. Wesen der Umdeutung nach § 47 VwVfG
Gelangt das Verwaltungsgericht bei seiner rechtlichen Prüfung zu der Erkenntnis, dass der zu bewertende Verwaltungsakt fehlerhaft ist, kommt bei vordergründiger Betrachtung dessen Aufhebung in Betracht. Denkbar ist aber auch, dass das Verwaltungsgericht ihm im Rahmen von Grenzen einen anderen Regelungsgehalt beimisst. Bereits vor Inkrafttreten des § 47 VwVfG hat das BVerwG eine Befugnis der Verwaltungsgerichte zur Umdeutung fehlerhafter Verwaltungsakte aus dem Rechtsgedanken der Konversion nach § 140 BGB hergeleitet, dahingehend dass eine einmal mit Willen der Beteiligten getroffene Regelung nicht unnötig rückgängig gemacht werden soll, wenn sie sich auf eine andere als die ursprünglich gedachte Grundlage stützen lässt. Ausgehend davon wurde das Wesen der Umdeutung darin gesehen, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt mit derjenigen Regelung als erlassen gilt, welche die Behörde in Kenntnis der Fehlerhaftigkeit der tatsächlich vorliegenden Erklärung getroffen hätte; die gerichtliche Feststellung der fingierten Erklärung wurde als Akt richterlicher Erkenntnis angesehen (vgl. BVerwGE 12, 9, 10 f. und 48, 81, 83; NVwZ 1984, 645).
Hieran knüpft das BVerwG in seinem Urteil vom 18.1.2017 (8 C 1.16, LKV 2017, 221 ff., 274 ff.) an, wonach bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 VwVfG der ursprüngliche fehlerhafte Verwaltungsakt kraft Gesetzes als mit der auf dasselbe Ziel gerichteten rechtmäßigen Regelung erlassen (Umdeutung) gilt. Die verwaltungsgerichtliche Feststellung der Fortgeltung des ursprünglichen Verwaltungsaktes mit der fingierten Regelung sei Bestandteil der Rechtsfindung.
Hinweis:
Da es sich bei der gerichtlichen Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes nach § 47 Abs. 1 VwVfG nicht um eine rechtsgestaltende Entscheidung, sondern um einen Akt der Rechtserkenntnis handelt, ist maßgeblicher Zeitpunkt der Wirkung des umgedeuteten Verwaltungsakts nicht der Zeitpunkt der gerichtlichen Umdeutung, sondern der der Behördenentscheidung.
2. Kurze Verjährung öffentlich-rechtlicher Erstattungsansprüche
Nach welchen Regeln sich die Verjährung allgemein im öffentlichen Recht oder speziell im Verwaltungsverfahrensrecht richtet, ist – auch durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz – nicht ausdrücklich geregelt worden. Fehlen einschlägige öffentlich-rechtliche Spezialregelungen, ist im Wege der Analogie nach dem Gesamtzusammenhang der für den jeweiligen Anspruch maßgebenden Rechtsvorschriften und der Interessenlage zu beurteilen, welche Verjährungsregelung als die "sachnächste" heranzuziehen ist (BVerwGE 131, 153 Rn 26; 132, 324 Rn 8). Je nach Regelungszusammenhang und Interessenlage können für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche Verjährungsfristen von unterschiedlicher Dauer analog anzuwenden sein. Soweit das BVerwG für beamtenrechtliche Erstattungsansprüche, etwa aus § 12 BBesG, für Erstattungsansprüche aus dem Bereich des Wohngeldrechtes und für einen Ersatzanspruch nach Art. 104a Abs. 2 GG die kurze dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB n.F. angewendet hat (Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 45 = juris Rn 19, BVerwGE 131, 153 Rn 27, NVwZ 2017, 56 und juris Rn 34 ff.), steht dies deshalb nicht in Widerspruch dazu, etwa Ansprüche im Zusammenhang mit dem Vermögenszuordnungsgesetz einer dreißigjährigen Verjährungsfrist zu unterwerfen (BVerwGE 132, 324 Rn 13 und 142, 219 Rn 38).
Das BVerwG geht in seinem Urteil vom 15.3.2017 (10 C 3.16) hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nach § 49a Abs. 1 S. 1 VwVfG von einer analogen Anwendung der neuen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB n.F. aus. Der Gesetzgeber habe zwar nicht im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, wohl aber im Rahmen des Gesetzes zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze vom 21.6.2002 (BGBl I, S. 2167) eine Anpassung des Verwaltungsverfahrensgesetzes an die neuen Verjährungsregeln vorgenommen und die das Verjährungsrecht berührenden Regelungen der §§ 53, 102 VwVfG reformiert. Die Sonderregelung für die Hemmung der Verjährung in § 53 VwVfG zeige, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von verjährbaren Ansprüchen ausgegangen sei. Die in § 102 VwVfG enthaltene Verweisung auf Art. 229 § 6 Abs. 1 bis 4 EGBGB belege seine Vorstellung, dass die mit der Schuldrechtsnovelle vorgenommenen Änderungen des Verjährungsrechts grundsätzlich auch im öffentlichen Recht Anwendung finden könnten.
Hinweis:
Für die Anwendung der dreijährigen Regelverjährungsfrist spricht ferner, dass der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 S. 1 VwVfG strukturell mit bereicherungsrechtlichen Ansprüchen verwandt ist, die nunmehr ebenfalls dieser Verjährungsfrist unterliegen.
Autor: VorsRiVG Prof. Dr. Bernd Andrick, Gelsenkirchen
ZAP F. 19 R, S. 1067–1078