I. Vorbemerkung
Die Sicherheit der Lieferkette (auf neudeutsch "Supply-Chain") und die Pünktlichkeit der Lieferungen ("just-in-time") sind nicht nur aus operationeller Sicht von Bedeutung. Auch die juristische Bearbeitung solcher Sachverhalte stellt den Bearbeiter oftmals vor Herausforderungen. Der vorliegende Beitrag soll einen ersten, kurzen Überblick über die typischerweise in diesem Zusammenhang auftretenden Themen liefern.
1. Gesetzlicher Regelungsumfang
Da im vierten Buch des HGB der Begriff der „Logistik” nicht auftaucht, wird er in der Praxis oftmals inflationär oder auch mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Im Gesetz geregelt sind stattdessen der Frachtvertrag §§ 407 ff. HGB, der Speditionsvertrag §§ 453 ff. HGB, der Lagervertrag §§ 467 ff. HGB, der Stückgutfrachtvertrag §§ 481 ff. HGB und der Reisefrachtvertrag §§ 527 ff. HGB.
Erste Abgrenzungshilfen bieten daher branchenübliche Bedingungswerke wie die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen ("ADSp") in den Fassungen der ADSp 2003, ADSp 2016 und ADSp 2017, die Vertragsbedingungen für den Güterkraftverkehrs-, Speditions- und Logistikunternehmer ("VBGL" 2015) sowie die Logistik-AGB 2006 und Logistik-AGB 2019.
2. Zur Historie der Begrifflichkeiten: Warum steht immer eine Jahreszahl hinter dem Bedingungswerk?
Die ADSp können auf eine mehr als 90-jährige Geschichte zurückblicken. Die allererste Fassung der ADSp wurde bereits im Jahre 1927 verfasst. ADSp gab es in der Folgezeit bis hin ins Jahr 2015 in unterschiedlichen Varianten. Gerade in den neunziger Jahren sowie den „Nullerjahren” existierten verschiedene Varianten (ADSp 1993, ADSp 1998, ADSp 1999, ADSp 2002, ADSp 2003) da der Gesetzgeber mit dem Transportrechtsreformgesetz im Jahre 1998 (Gesetz zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts vom 25.6.1998, BGBl I S. 1588, ber. BGBl I 1999, S. 42, TRG) umfangreiche Änderungen im HGB vorgenommen hatte, welche die Nutzer der ADSp – zusammen mit Rechtsprechung zu den Vorgängerfassungen – teilweise erst Schritt für Schritt umsetzten. Die dem Begriff ADSp jetzt nachträglich beigefügte Jahreszahl entspricht jeweils dem Jahr, ab welchem die jeweilige Fassung der ADSp zur Anwendung empfohlen wurde. So wurden bspw. die ADSp 2003 ab dem 1.1.2003 zur Anwendung empfohlen.
Nachdem der Gesetzgeber im Jahre 2013 mit dem Seerechtsreformgesetz (Gesetz zur Reform des Seehandelsrechts vom 20.4.2013, BGBl 2013 I 831, SeeRRG) wiederum auch das allgemeine Fracht- und Speditionsrecht reformiert hatte, war eine Überarbeitung der ADSp 2003 mehr als überfällig.
Die Verhandlungen hierüber scheiterten im Jahre 2015 jedoch zunächst. In diesem Zusammenhang kam es auch zu einem Streit über die Namensrechte an den ADSp. Nach Auffassung der Verladerseite dürften sich als ADSp nur solche Bedingungswerke bezeichnen, welche gemeinsam zwischen den beteiligten Nutzern ausgehandelt worden seien. ADSp dürften demnach nicht nur einseitig, von der Dienstleisterseite allein entwickelte Bedingungswerke heißen. Die Spediteure sollten hierdurch daran gehindert werden, den Begriff ADSp weiter zu nutzen. Die Verladerschaft selbst nannte ihre (vermeintliche) Alternative zu den ADSp daher DTLB (Deutsche Transport- und Lagerbedingungen). Der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik e.V. entschloss sich daher, sein Nachfolgewerk zu den ADSp 2003 als "ADSp 2016" zu bezeichnen. Die von den Incoterms bereits bekannte Beifügung der Jahreszahl als Abgrenzungshilfe wurde schließlich auch dann noch beibehalten, als sich Spediteure und Verladerschaft wieder auf ein einheitliches Bedingungswerk, nunmehr als ADSp 2017 bezeichnet, verständigt hatten.
Der Einfachheit halber wurde diese Abgrenzungshilfe nachträglich auch auf die Vorgängerfassungen der ADSp wie bspw. die ADSp 2003 übertragen.
Die Logistik-AGB 2006 sowie die Logistik-AGB 2019 entsprechen der oben beschriebenen Logik nicht ganz, da sie am 30.3.2006 veröffentlicht bzw. ab dem 1.7.2019 zur Anwendung empfohlen worden sind.
Wesentlicher ist jedoch noch Folgendes: Die Logistik-AGB 2019 wurden gemeinsam vom DSLV Bundesverband Spedition und Logistik e.V., dem BGL Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung e.V. sowie der AMÖ Bundesverband Möbelspedition und Logistik e.V. unter Mitwirkung des ILRM Institut für Logistikrecht & Riskmanagement Bremerhaven überarbeitet. Der Kreis der beteiligten Verfasser ist daher deutlich kleiner als der, welcher an der Überarbeitung der ADSp 2017 beteiligt gewesen sind. Siehe hierzu die Präambel der ADSp 2017: Die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen 2017 (ADSp 2017) werden zur Anwendung ab dem 1.1.2017 empfohlen vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Bundesverband Möbelspedition und Logistik (AMÖ), Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL), Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) und Handelsverband Deutschland (HDE). Diese Empfehlung ist unverbindlich.
Vielen Handelnden ist jedoch gar nicht bewusst, dass es diese Diskussionen über die ...