Die Schiedsgerichtsbarkeit ist in vielen Branchen der Streitbeilegungsmechanismus der Wahl: für grenzüberschreitende Verträge sowieso, v.a. wegen der Möglichkeit einer neutralen Verfahrensgestaltung, die keiner Partei einen „Heimvorteil” gewährt, aber auch für „rein deutsche” Verträge, wenn die Nichtöffentlichkeit des Verfahrens oder die Spezialkompetenzen von ad personam ausgewählten Mitgliedern des Schiedsgerichts besonders wichtig sind. Gleichwohl ist die Schiedsgerichtsbarkeit – erst recht die internationale – für viele Unternehmensjuristinnen und -juristen noch ein Buch mit sieben Siegeln. Das verwundert nicht, ist sie doch kein Bestandteil der juristischen (Pflichtfach-)Ausbildung und gesetzlich im 10. Buch der ZPO nur äußerst rudimentär geregelt. Viele wichtige Aspekte der Durchführung von Schiedsverfahren erschließen sich erst, wenn eine institutionelle Schiedsordnung (z.B. die ICC-SchiedsO 2021 oder die DIS-SchiedsO 2018) zur Hand genommen wird; und selbst darin sind wichtige Aspekte, wie z.B. die Regeln der Beweisaufnahme oder der Dokumentenvorlage, nicht geregelt. Die Verfahren selbst sind hoch geheim. Kompetente Information ist daher i.d.R. nur von praxiserfahrenen Anwältinnen und Anwälten zu erlangen – und damit sehr kostspielig.
Diese teuren Informationsgespräche ersetzt das hier vorgestellte englischsprachige Werk in hervorragender und ebenso anschaulicher wie lehrreicher Weise. In zehn Blöcken mit je zehn Punkten à zwei Seiten beantworten eine Praktikerin und neun Praktiker – alle aus der Schiedspraxis von Baker McKenzie – sämtliche Aspekte internationaler Schiedsverfahren (in englischer Sprache): Nach zehn allgemeinen Einführungspunkten (Annette Keilmann) folgen je zehn Punkte zur Schiedsabrede (Tobias Höfling), zum Schiedsgericht (Max Oehm), zum Verfahren selbst (Heiko Haller), zur Beweisaufnahme (Ragnar Harbst), zur Psychologie internationaler Schiedsverfahren (Jörg Risse), zum einstweiligen Rechtsschutz und anderen Interaktionen mit staatlichen Gerichten (Maximilian Sattler), zu Schiedssprüchen und deren Durchsetzung im Inland (Gerrit Niehoff) sowie zu Kosten und Schadensberechnung (Markus Altenkirch). Den Abschluss bildet ein Kapitel zur – mit der im Vordergrund stehenden Handelsschiedsgerichtsbarkeit eng verwandten – Investitionsschiedsgerichtsbarkeit (Jürgen Schramke).
Alle Abschnitte sind auf leichte Lesbarkeit und Übersichtlichkeit getrimmt; kein Punkt nimmt mehr als zwei Seiten in Anspruch, und beantwortet dennoch alle relevanten Fragen der Praxis. Dabei räumt das Buch auch mit zahlreichen Vorurteilen gegenüber der Schiedsgerichtsbarkeit auf („International Arbitration is neither amicable nor non-binding”, S. 20 f.; „Arbitration does not take place in a legal vacuum”, S. 22 f.) oder bestätigt diese („Arbitration is expensive”, S. 186 f.). Man merkt den Abschnitten durchgehend an, dass sie nicht nur mit großer Sachkunde, sondern auch aus großer Praxiserfahrung – gerade in der Beratung von nicht schiedserfahrenen Mandantinnen und ihren Beratern – geschrieben wurden. Die „facts” sind jeweils unverblümt dargestellt, oft mit klaren Empfehlungen („Institutional arbitration is preferable to ad hoc arbitration”, S. 40 f.; „Challenge an arbitrator only if absolutely necessary”, S. 64 f.), und greifen die aus Sicht der Praxis zentralen Aspekte auf.
Das neue und unkonventionell aufgemachte Werk besticht gerade durch seine Ungewöhnlichkeit: Es ist kein „trockenes Lehrbuch”, sondern ein prägnanter Praxis-Ratgeber. Es adressiert die häufig anzutreffende Skepsis von Unternehmen und ihren rechtlichen Beraterinnen und Beratern hinsichtlich der „Geheimwissenschaft Schiedsverfahren” und zeigt zentrale Vorteile und Fallstricke der Schiedsgerichtsbarkeit auf. Es sollte in keiner Rechtsabteilung oder Prozessrechtskanzlei fehlen.
Prof. Dr. Thomas Riehm, Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Privatrecht, Zivilverfahrensrecht und Rechtstheorie an der Universität Passau