1. Syndikus-Entscheidungen des BSG
Viel Furore gemacht haben die Syndikusanwalts-Entscheidungen des BSG vom 3.4.2014 (B 5 R13/14 R, B 5 RE 3/14 R und B 5 RE 9/14 R). Mit diesen Entscheidungen wird die Befreiungsvorschrift des § 6 SGB VI noch weiter eingeengt, als sie es nach den Entscheidungen vom 31.10.2012 (B 12 R 3/11 R, B 12 R 8/10 R und B 12 R 5/10 R) ohnehin schon war.
Nachdem das BSG am 31.10.2012 (B 12 R 3/11 R u.a.) entschieden hatte, dass eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 SGB VI nur für eine einzige Beschäftigung wirkt und sie bei jedem Beschäftigungswechsel neu zu beantragen ist, entschied es nun am 3.4.2014, dass Syndikusanwälte, also als Rechtsanwälte Angestellte, die Voraussetzungen dieser Vorschrift regelmäßig nicht erfüllten, weil sie als Angestellte nicht anwaltlich tätig seien. Das gelte nicht für bei Anwälten angestellte Anwälte. Gegen zwei der Urteile vom 3.4.2014 sind Verfassungsbeschwerden beim BVerfG anhängig (1 BvR 2534/14 und 1 BvR 2584/14); nicht angegriffen wurde die Entscheidung B 5 RE 3/14 R.
Die Entscheidungen haben zu einer Vielzahl überwiegend kritischer Reaktionen geführt. Neben der Frage, ob die Entscheidungen mit Art. 12 GG vereinbar sind (z.B. Prütting, AnwBl 2014, 788–790; s.a. Schafhausen, AnwBl 2014, 829), steht die Reichweite des Vertrauensschutzes für bereits bestehende Befreiungen in Frage (hierzu z.B. Prossliner, AnwBl 2014, 695–699; zum Ganzen auch Rolfs, SGb 2014, 653). Der Ruf nach dem Gesetzgeber (z.B. Prütting, AnwBl 2014, 788–790; Kleine-Cosack, AnwBl 2014, 891–898) ist gehört worden. Ganz aktuell hat das BMJV nunmehr ein Eckpunktepapier zur Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte vorgestellt. Abrufbar ist das insg. 14 Punkte umfassende Papier auf der Seite des BMJV: www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/20150113_Eckpunkte_Syndikusanwaelte.pdf?__blob=publicationFile .
Zuvor hat die DRV am 10.1.2014 ihre sog. Fachinformationen mit Regelungen zum Vertrauensschutz veröffentlicht (abgedruckt etwa in NZA 2014, 136). Ob diese Bestimmungen für den Personenkreis anwendbar bleiben, der vor den neuen Entscheidungen des BSG bei der DRV nach einem Arbeitgeberwechsel nachträglich Befreiungsanträge gestellt hat, ist offen (ablehnend wohl LSG BW, Beschl. v. 31.10.2014 – L 13 R 4264/14 ER-B). Die DRV hat im Dezember weitere Vertrauensschutzregelungen für die von den Entscheidungen vom 3.4.2014 Betroffenen erlassen (siehe NZA 2015, 29 und Anm. Rolfs, NZA 2015, 27).
Das SG Stuttgart (Urt. v. 13.8.2014 – S 21 R 3010/12) wendet die Syndikusanwaltsrechtsprechung nun auch auf angestellte Patentanwälte an und spricht ihnen schon aus diesem Grund die Befreiungsmöglichkeit nach § 6 SGB VI ab.
Hinweis:
Vgl. zu dieser Thematik auch den Übersichtsbeitrag "Aktuelle Entwicklungen hinsichtlich der Befreiung von Syndikusanwälten von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung" von Huff ZAP F. 23, S. 993.
2. Reichweite der Erstattungsvorschrift von § 118 SGB VI
In einem recht spektakulären Fall – es ging um in einem Zeitraum von 16 Jahren erfolgte Überzahlungen i.H.v. fast 222.000 EUR – lotete das BSG (Urt. v. 3.4.2014 – B 5 R 25/13 R) die Grenzen von § 118 Abs. 3 und 4 SGB VI aus. Nach § 118 Abs. 3 SGB VI gelten Geldleistungen, die nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto im einheitlichen europäischen Zahlungsraum erbracht werden, als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie dem Rentenversicherungsträger auf Anforderung zurück zu überweisen, soweit darüber noch nicht verfügt worden ist; die Einschränkung gilt nicht, wenn die Überweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. § 118 Abs. 4 SGB VI sieht weitere Erstattungsansprüche gegen den Empfänger der Leistung und gegenüber die Leistung Verfügende vor; nach § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI bleibt "ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 [SGB X] unberührt."
Im entschiedenen Fall hatte der Stiefsohn der Verstorbenen die Rentenzahlungen jeweils abgehoben. Dieser war inzwischen selbst verstorben. Das BSG sah es als unzulässig an, dass der Rentenversicherungsträger sich wegen der Erstattungsforderung an die klagende Erbin des Stiefsohns wandte. Zwar wäre der Stiefsohn selbst erstattungspflichtig gewesen. Die Forderung aus § 118 Abs. 4 SGB VI falle jedoch nicht in dessen Nachlass. Vielmehr sehe § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI mit seinem Verweis auf § 50 SGB X sowohl für die Erben der verstorbenen Rentnerinnen und Rentner als auch für die Erben der Verfügenden und der Empfängerinnen und Empfänger eine Privilegierung vor: Diese hafteten nur nach den in § 50 SGB X in Bezug genommenen Vertrauensschutzregeln. Eine Privilegierung nur von Erbinnen und Erben der Rentnerinnen und Rentner würde gegen Art. 3 GG verstoßen.
Da die Klägerin – immerhin die Witwe des Stiefsohns – nichts von den Sozialleistungen erhalten habe, stehe der Rentenversicherung auch kein Anspruch gegen sie aus § 50 SGB X zur Seite.
3. Beitragsrecht der Rentenversicherung – Reichweite von § 26 SGB IV
Nach dem zum 1.1.2008 eingeführten § 26 Abs. 1 S. 3 SGB IV gelten zu Unrecht entrichtete Rentenversicherungsbeiträge nach Ablauf von vier Jahren als zu Recht entrichtet. Wer die Be...