Während bislang die Mitwirkung eines Verteidigers erst beim Vollzug von Untersuchungshaft oder einstweiliger Unterbringung erforderlich war, ist nunmehr gem. § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO n.F. ein Fall notwendiger Verteidigung bereits dann gegeben, wenn der Beschuldigte einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist, also nach den §§ 115, 115a (Ergreifung aufgrund eines Haft- oder Unterbringungsbefehls), 128 Abs. 1 (vorläufige Festnahme) oder 129 StPO (vorläufige Festnahme nach Anklageerhebung). Diese Neuregelung ist erforderlich geworden aufgrund von Art. 4 Abs. 4 der PKH-Richtlinie, wonach eine Unterstützung durch einen Rechtsbeistand jedenfalls im Zeitpunkt der Vorführung zu gewährleisten ist. Auch insoweit erfolgt also eine Vorverlagerung der Beiordnung.
a) Bereits erlassener Haftbefehl
Ist der Haft- oder Unterbringungsbefehl bereits erlassen und steht deshalb fest, dass in jedem Fall eine Vorführung zu erfolgen hat, ist die Verteidigerbestellung sofort vorzunehmen, § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StPO n.F.
Durch die Inbezugnahme der §§ 115, 115a StPO werden alle Arten von Haftbefehlen erfasst, eine Beschränkung auf die Untersuchungshaft gem. §§ 112, 112a StPO gibt es nicht. Umfasst ist daher auch die Hauptverhandlungshaft gem. § 230 Abs. 2 StPO. In diesem Fall, ebenso bei einer Vorführung zur Entscheidung über einen Haftbefehl im beschleunigten Verfahren (§ 127b StPO), erfolgt die Verteidigerbestellung jedoch – anders als bei U-Haft und einstweiliger Unterbringung – nur, wenn der Beschuldigte diese nach Belehrung ausdrücklich beantragt, § 141 Abs. 2 S. 2 StPO n.F.
b) Vorläufige Festnahme
Dagegen ist bei einer vorläufigen Festnahme noch nicht klar, ob tatsächlich eine Vorführung erfolgt oder die festgenommene Person wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Es bleibt deshalb erlaubt, den Beschuldigten nach vorläufiger Festnahme erst noch zu vernehmen, soweit dies zur Klärung der Frage, ob ein Haftbefehl überhaupt beantragt werden soll, erforderlich ist (BT-Drucks 19/13829, S. 33).
Hinweis:
Bei solchen Vernehmungen wird freilich sorgfältig zu prüfen sein, ob diese tatsächlich der Klärung der Haftfrage dienten. Liegen nämlich dringender Tatverdacht und Haftgrund auf der Hand, besteht insoweit kein Klärungsbedarf mehr, so dass sich bei gleichwohl noch vor der Verteidigerbestellung durchgeführten Vernehmungen die Frage stellt, ob sie nicht tatsächlich zum Ziel hatten, den Verteidiger möglichst lange aus dem Verfahren "herauszuhalten" bzw. vor dessen Tätigwerden noch an "ungefilterte" Informationen zu gelangen.