1. Versuchsbeginn (§§ 22 ff. StGB)
Das LG Nürnberg-Fürth hat in einem Beschl. v. 15.4.2021 – (12 Qs 18/21, StraFo 2021, 256 = StRR 5/2021, 4 [Ls.]) zum Versuchsbeginn beim Wohnungseinbruchsdiebstahl Stellung genommen. Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, sich nachts auf das Grundstück des Geschädigten begeben zu haben, wofür er das abgesperrte Gartentor überwinden musste, da er die Absicht hatte, in das dortige Wohnhaus des Zeugen einzudringen, dieses nach Stehlenswertem zu durchsuchen und möglichst Hochwertiges zu entwenden. Um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen, nahm der Beschuldigte eine im Garten des Anwesens stehende Leiter, lehnte diese gegen die Hauswand und bestieg diese in der Absicht, sich anschließend auf den Balkon des ersten Stockwerks des Anwesens zu hangeln und von dort aus in die Wohnung einzudringen. Der Geschädigte bemerkte diesen Vorgang jedoch, machte die Hausinnenbeleuchtung an und begab sich selbst auf den Balkon, von wo aus er den Beschuldigten aufforderte, sich zu entfernen, was dieser tat.
Das LG (a.a.O.) hat den Versuch eines Wohnungseinbruchsdiebstahls verneint. Dazu verweist es auf den BGH, Beschl. v. 28.4.2020 (5 StR 15/20, BGHSt 65, 15 = StRR 10/2020, 28). Dort habe der BGH darauf hingewiesen, dass für den Versuchsbeginn bei Diebstahlsdelikten darauf abzustellen sei, ob aus Tätersicht bereits die konkrete Gefahr eines ungehinderten Zugriffs auf das in Aussicht genommene Stehlgut bestand. Hierfür sei entscheidend, ob der Gewahrsam durch Schutzmechanismen gesichert ist. Sei das der Fall, reiche für den Versuchsbeginn der erste Angriff auf einen solchen Schutzmechanismus regelmäßig aus, wenn sich der Täter bei dessen Überwindung nach dem Tatplan ohne tatbestandsfremde Zwischenschritte, zeitliche Zäsur oder weitere eigenständige Willensbildung einen ungehinderten Zugriff auf die erwartete Beute vorstelle. Sollen mehrere gewahrsamssichernde Schutzmechanismen hintereinander überwunden werden, sei schon beim Angriff auf den ersten davon i.d.R. von einem unmittelbaren Ansetzen zur Wegnahme auszugehen, wenn die Überwindung aller Schutzmechanismen im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit paraten Mitteln erfolgen soll. Nicht erforderlich für das unmittelbare Ansetzen zur geplanten Wegnahme sei, dass der angegriffene Schutzmechanismus auch erfolgreich überwunden wird. Deshalb reichet der Beginn des Einbrechens, Einsteigens oder Eindringens i.S.v. §§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB regelmäßig aus, um einen Versuchsbeginn anzunehmen. Beim Übersteigen eines Gartenzauns oder -tors mit der Absicht, in ein dahinter liegendes Haus einzubrechen, komme es darauf an, ob Zaun oder Tor schon eine gewahrsamssichernde Funktion zukommt. Ein unmittelbares Ansetzen zum Diebstahl sei zu bejahen, wenn der Täter das Einbruchswerkzeug bereits angesetzt habe, um damit einen Schutzmechanismus zu überwinden und anschließend in ein Gebäude zum Stehlen einzudringen.
Auf dieser Grundlage hat das LG (a.a.O.) ein unmittelbares Ansetzen des Beschuldigten zum Wohnungseinbruchsdiebstahl verneint. Bei seiner vorläufigen Festnahme habe bei ihm keinerlei für einen Einbruch geeignetes Werkzeug festgestellt werden können, sodass insoweit keine Schlussfolgerungen dazu möglich seien, wie er in das Haus habe eindringen wollen. In Übereinstimmung mit der Wertung im Beschl. des BGH vom 20.9.2016 (2 StR 43/16, NJW 2017, 1189) reichte es der Kammer für den Versuchsbeginn in objektiver Hinsicht nicht aus, dass der Beschuldigte in den das Haus umgebenden Garten über das Gartentor oder den Zaun eingedrungen war. Zum einen sollte nach der Vorstellung der Beschuldigten nicht im Garten, sondern in dem durch weitere Sicherungen geschützten Haus auf dem Grundstück nach Stehlenswertem gesucht werden. Zum anderen konnte das – versperrte – Gartentor nicht als wesentlicher Schutz des Hauses angesehen werden. Denn es war lediglich ca. einen Meter hoch, sodass der Geschädigte vermutete, der Beschuldigte müsse darüber gesprungen sein. Dem Urteil des BGH v. 14.6.2017 (2 StR 14/17, NStZ-RR 2017, 340) sei Gegenteiliges nicht zu entnehmen. Das LG (a.a.O.) hat ein unmittelbares Ansetzen auch noch nicht darin gesehen, dass der Beschuldigte eine kleine Aluminiumleiter an die Hauswand gelehnt und dort auf dem Weg zum Balkon im ersten Obergeschoss die ersten Sprossen erklommen hatte, wobei er mit dem Kopf bis auf die Höhe des Balkonfundaments/Balkonbodenplatte gelangt sei. Die Lage des anvisierten Einstiegs in die Wohnung (also der Balkontür) im ersten Stockwerk, stelle aber für sich betrachtet gleichsam eine Schutzvorrichtung dar, die wesentlich zum Schutz des Hauses beitrage, weil sie nur mit einigem Aufwand – etwa mittels einer Leiter – überwunden werden könne. Zur Überwindung dieses Schutzes habe der Beschuldigte unmittelbar angesetzt, als er die Leiter an die Wand gelehnt und die ersten Leitersprossen erklommen hat. Insoweit müsse man aber zugunsten des Beschuldigten zugrunde zu legen, er habe nach seinem Vorstellungsbild tatsächlich noch die verschlossene...