Auch bei Franchise-Systemen sind solche kartellrechtswidrigen vertikalen Preisabsprachen nach wie vor festzustellen – trotz des Verbots in allen vorangegangenen Gruppenfreistellungsverordnungen und der Praxis des BKartA. Daran ändert sich auch durch die neue Vertikal-GVO (EU-VO 720/2022) nichts.
aa) Kartellrechtswidrige Absprachen
Gleichwohl versuchen Franchise-Geber immer wieder den Franchise-Nehmern verbindliche Mindest-Verkaufspreise für die in ihren Franchise-Outlets abzusetzenden Produkte vorzugeben bzw. drohen mit einem Lieferstopp oder der Kürzung/Streichung von Boni/Skonti/Rückvergütungen, wenn die vorgegebenen Mindestpreise unterschritten werden. Diese ist und bleibt auch unter der Geltung der neuen Vertikal-GVO kartellrechtswidrig.
Entscheidend ist damit die Beachtung der Hardcore-Restriction, also der Kernbeschränkungen, die wiederum in Art. 4 Vertikal-GVO (wie in der bisherigen) dargestellt werden.
Insofern wird es als eine Verletzung der Kernbeschränkungen angesehen, wenn
- der Franchise-Nehmer in seiner Freiheit, seine Verkaufspreise festzusetzen, beschränkt wird;
- Mindest- oder Niedrigpreise festgesetzt werden.
Zulässig ist es aber weiterhin, dem Franchise-Nehmer Höchstpreisvorgaben zu machen oder unverbindliche Verkaufspreisempfehlungen auszusprechen, soweit auf den Franchise-Nehmer kein Druck ausgeübt wird.
Nach der Praxis des Bundeskartellamts liegt ein solcher Druck aber u.a. dann vor, wenn eine permanente Preiskontrolle des Franchise-Nehmers erfolgt und diesem die Streichung von Boni, Skonti etc. angedroht wird, wenn dieser nicht die vom Franchise-Geber vorgegebenen Preise beim Verkauf der Produkte gegenüber seinen Endverbrauchern berechnet. Auch insofern hat sich also durch die neue Vertikal-GVO nichts geändert.
Allerdings akzeptiert es das Bundeskartellamt, wenn dem Franchise-Nehmer sog. Preiskalkulationen oder Kalkulationshilfen an die Hand gegeben werden (vgl. Tätigkeitsbericht des BKartA 1987/88 – BT-Drucks 11/4611; auszugsweise abgedr. bei Flohr Franchise-Handbuch, a.a.O., Berlin 1994-1996, Gruppe I/V, 2; allgemein zum insoweit gebotenen Informationsaustausch Schroeder WuW 2009, 718; Wiemer WuW 2009, 750).
Dabei ist die APOLLO-Optik-Entscheidung des BGH vom 20.5.2003 (KZR 19/02 WuW DE-R 170; dazu Flohr DStR 2004, 95, 98) insb. für „Misch-Franchise-Systeme” von Bedeutung, d.h. Franchise-Systemen, bei denen Waren oder Dienstleistungen sowohl über Franchise-Outlets als auch eigene Filialen abgesetzt werden. Wird hier unter Angabe fester Endverbraucherpreise, ohne die Preisangaben auf die eigenen Filialen zu beschränken oder auf deren Unverbindlichkeit für Franchise-Betriebe hinzuweisen, geworben, so kann von dieser Werbung ein wirtschaftlicher Druck auf die Franchise-Nehmer zur Übernahme des beworbenen Preises ausgehen, der einer nach § 1 GWB verbotenen Preisbindung gleichkommt. Insofern hat der BGH die Entscheidung vom 3.2.1999 (KZR 11/97 BB 1999, 860 – Sixt) ausdrücklich bestätigt.
Dem steht auch nicht die BGH-Entscheidung vom 8.4.2003 (KZR 3/02, GRUR 2003, 637 – 1 Riegel extra) entgegen. Danach kann dem Franchise-Nehmer i.R.v. Verkaufsförderungsaktionen eine Preisbindung auferlegt werden, wenn die Preisgestaltungsfreiheit des Franchise-Nehmers nur für eine kurze Zeitspanne und praktisch nicht spürbar eingeschränkt wird (s. zum Ganzen auch: Jickeli LMK 2003, 131 f.). Diese Entscheidung bezieht sich lediglich auf einzelne Produkte, die im Rahmen von Verkaufsaktionen oder aber zur Markteinführung durch den Franchise-Nehmer abzusetzen sind. Demgegenüber bezieht sich der vomâEUR™BGH in der APOLLO-Optik-Entscheidung vom 20.5.2003 festgestellte wirtschaftliche Druck des Franchise-Nehmers auf Übernahme der empfohlenen Verkaufspreise als verbindliche Verkaufspreise auf das gesamte vom Franchise-Nehmer abzusetzende Warensortiment des Franchise-Systems.
Die Grundsätze des APOLLO-Optik-Urteils des BGH vom 20.5.2003 sind aber nicht nur für die gemeinsame Werbung und Verkaufsaktionen von Bedeutung, sondern auch, wenn der Franchise-Geber zugleich Produkte, die er über eigene Filialen und Franchise-Outlets absetzt, in einem Internetshop anbietet. Werden im Internet die Produkte vom Franchise-Geber mit Preisen beworben, so geht von dieser Internet-Preis-Werbung der gleiche wirtschaftliche Druck aus, wie von einem gemeinsamen Werbeflyer des Franchise-Systems für eigene Filialen und Franchise-Betriebe. Der Franchise-Nehmer wird sich i.d.R. an den Preisen des Internetshops des Franchise-Gebers orientieren und diese übernehmen. Insofern kommt der von einem Internetshop des Franchise-Gebers ausgehende Druck einer unzulässigen Preisbindung i.S.v. § 1 GWB gleich (grds. und umfassend dazu: Metzlaff, Gedächtnisschrift für Skaupy, München 2003, S. 307 ff. mit umfassender Darstellung der Literatur und Rspr.). An diesen kartellrechtlichen Grundsätzen hat die neue Vertikal-GVO nichts geändert.
bb) Höchstpreisvorgaben
Auch aufgrund der Regelungen der neuen Vertikal-GVO, aber auch gem. § 1 GWB ist es dem Franchise-Geber gestattet, dem Franchise-Nehmer „Höchstpreise” vorzuschreiben. Dem ...