Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Verfügungen der Eheleute im gemeinschaftlichen Testament von 2005 sind unter dem Rückgriff von § 2270 Abs. 2 BGB wechselbezüglich. Zwar waren der Bruder des Erblassers und die Schwägerin nicht mit der Ehefrau F verwandt. Sie standen sich aber nahe. „Nahestehen” i.S.d. § 2270 Abs. 2 BGB ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu entscheiden, wobei an den Begriff hohe Anforderungen zu stellen sind. Eine bindende Schlusserbeneinsetzung des Bruders des Erblassers kann vorliegen, wenn in der gemeinschaftlichen testamentarischen Anordnung ein besonderer Grund für die Erbeinsetzung aufgenommen worden ist. Dieser liegt hier in der Übernahme der Pflege von F begründet, wodurch ein Näheverhältnis zwischen den Beteiligten anzunehmen gewesen ist. Im Übrigen ist der Erbanteil des Bruders der Schwägerin B3 angewachsen. Die Wechselbezüglichkeit der Einsetzung hat auch den angewachsenen Anteil umfasst.
Nach dieser Entscheidung hat das OLG Köln nur wenige Wochen später die Anforderungen an den Begriff „nahesteht” nach § 2270 Abs. 2 Alt. 2 BGB nochmals konkretisiert (OLG Köln BeckRS 2023, 25481):
Zitat
„(...) An den Begriff des „Nahestehens” sind hohe Anforderungen zu stellen (...). Nahestehende Personen in diesem Sinne sind nur solche, zu denen zumindest der begünstigende Ehegatte eine derart enge innere Beziehung hat, dass sie dem üblichen Verhältnis zu nahen Verwandten entspricht. Diesbezüglich sind strenge Anforderungen zu stellen, um die Auslegungsregel nicht zum gesetzlichen Regelfall werden zu lassen (...). Insbesondere genügt ein freundschaftliches, ungetrübtes Verhältnis insoweit nicht, da ein solches zu letztwillig bedachten Personen regelmäßig besteht. Dies gilt auch dann, wenn das Verhältnis durch regelmäßige Treffen, gemeinsame Freizeitaktivitäten und die Teilnahme an Familienfeiern regelmäßig gepflegt wird (...). Der Umstand, dass es sich bei den Begünstigten um ein „Patenkind” handelt, genügt in der Regel ebenfalls nicht (...). Soweit die Zeugin H in ihrer eidesstattlichen Versicherung erklärt hat, der Beteiligte zu 1) sei nicht nur Patensohn des vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin gewesen, sondern von diesem „als Sohn oder Kindersatz” betrachtet worden, reicht dies zur Annahme eines „Nahestehens” hier nicht aus. Denn dies sagt nichts über das tatsächliche Verhältnis zwischen den beiden aus. Der Beteiligte zu 1) hat offenbar nicht an gemeinsamen Feierlichkeiten der Erblasserin und ihres Ehemannes teilgenommen, insbesondere auch nicht an den Geburtstagsfeiern des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin. Es ist nichts darüber bekannt, ob ein inniges Verhältnis zwischen beiden bestand, (...).”
Um Auslegungsschwierigkeiten sowie eine nicht gewünschte Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments bei der Frage nach der Wechselbezüglichkeit von Verfügungen zu vermeiden, kann sich die folgende Formulierung anbieten:
Zitat
„Die von uns für den ersten und den zweiten Erbfall getroffenen Verfügungen sollen entgegen jeder anderslautenden gesetzlichen oder richterlichen Vermutungs- oder Auslegungsregel nicht wechselbezüglich und nicht bindend sein, sodass jeder Ehegatte für sich jederzeit abweichende letztwillige Verfügungen treffen kann, ohne dass dadurch die Verfügungen des anderen Ehegatten unwirksam werden.” (Tanck/Krug/Süß/Tanck, Anwaltsformulare Testamente, § 19 Rn 64)
In der Praxis wünschen die Eheleute i.d.R. aber, dass die Verfügungen für den ersten Erbfall wechselbezüglich und bindend sein sollen. Entsprechend wäre die o.g. Formulierung dahingehend zu korrigieren, dass die zu den Lebzeiten beider Ehepartner getroffenen letztwilligen Verfügungen insgesamt wechselbezüglich und bindend sind.
Die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen beschränkt sich nach § 2270 Abs. 3 BGB auf die Erbeinsetzung, das Vermächtnis und die Auflage. Nicht wechselbezügliche Verfügungen können die Teilungsanordnung, die Enterbung, die Pflichtteilsentziehung oder die Bestimmung des Testamentsvollstreckers sein. Wegen dieser Unterscheidung muss in einem gemeinschaftlichen Testament jede Verfügung gesondert nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen aus §§ 133, 2084 BGB hin auf ihre Wechselbezüglichkeit untersucht werden (BGH NJW-RR 1987, 1410). Bei der Auslegung muss die o.g. Auslegungsregelung beachtet werden.
Sollten die Ehegatten oder die eingetragenen Lebenspartner eine wechselbezügliche Verfügung getroffen haben, entfaltet diese mit dem Tod des Erstversterbenden eine Bindungswirkung. Ein einseitiger Widerruf durch den überlebenden Ehegatten ist nicht mehr möglich (§ 2271 Abs. 2 S. 1 BGB). Der überlebende Ehegatte kann seine Verfügung nur aufheben, wenn er das ihm Zugewendete ausschlägt (§ 2271 Abs. 2 S. 1 BGB). Die Rücknahme des gemeinschaftlichen Testaments aus der amtlichen Verwahrung kann nur gemeinschaftlich zu Lebzeiten erfolgen (§ 2272 BGB). Sofern die Rückgabe bei einem öffentlichen Testament nur gegenüber einem Ehegatten oder Lebenspartner erfolgt, hat dies nicht die Wirkung ...