Ab dem 1.1.2022 wird die Nutzung des beA für alle Anwälte verpflichtend. Und in voraussichtlich vier Jahren will die Justiz die elektronische Akte flächendeckend einführen. Dass viele in Politik und Justiz dies nach wie vor als Herausforderung betrachten, zeigt schon der breite Raum, den das Thema Digitalisierung auch diesmal wieder auf der diesjährigen Herbst-Justizministerkonferenz in Berlin eingenommen hat (vgl. dazu auch die nachstehende Meldung). Die Bundesrechtsanwaltskammer hat zur Digitalisierung soeben ein Forderungspapier erarbeitet, das zwar ein klares "Ja" zu einem digitalen Rechtssystem enthält, jedoch zugleich Abstrichen bei der Rechtsstaatlichkeit entgegenwirken will.
"Das mit der Digitalisierung verbundene Potenzial muss dafür genutzt werden, den Zugang zum Recht für alle gleichermaßen zu sichern und zu stärken. Die Vereinfachung von Verwaltungsprozessen durch digitale Lösungen fördert nicht nur Bürokratieabbau, sondern erleichtert Rechtsuchenden zugleich den Zugang zu den Gerichten. Ein Angebot digitaler Konzepte für Bürger setzt allerdings zwingend voraus, dass der elektronische Rechtsverkehr flächendeckend funktioniert", erläuterte BRAK-Präsident RA und Notar Dr. Ulrich Wessels.
In dem umfangreichen Katalog fordert die BRAK v.a. eine leistungsfähige digitale Infrastruktur, um die Vorteile digitaler Technologien für die rechtsuchenden Bürger tatsächlich nutzbar zu machen. Es müsse ebenfalls gewährleistet sein, dass alle Bürger die Angebote der Justiz sicher und datenschutzkonform nutzen könnten. Unverzichtbar sei zudem, dass Rechtsuchende in jeder Lage des Verfahrens einen Rechtsanwalt hinzuziehen könnten, so sie dies wünschten und digitale Lösungen auch durch die Anwaltschaft für ihre Mandanten nutzbar seien. Jeder Ausschluss der Anwaltschaft aus digitalen Verfahren gefährde den Zugang der Bürger zum Recht.
Bei dem Aufbau von Justizportalen müsse darauf geachtet werden, dass erforderliche Vorstrukturierungen und Filterungen nicht zu einer Beschränkung des rechtlichen Gehörs des unberatenen Verbrauchers führten. Online-Portale oder virtuelle Rechtsantragsstellen dürften zudem nur in Bereichen angeboten werden, in denen kein Anwaltszwang bestehe. Die Hinzuziehung eines Anwalts müsse aber jederzeit möglich sein.
Die Vorgabe eines strukturierten Vortrags lehnt die BRAK hingegen nachdrücklich ab. Die Einführung eines "Basisdokuments" würde eine Einschränkung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, des Beibringungsgrundsatzes und der Dispositionsmaxime bedeuten. Der strukturierte Vortrag würde auch nicht zu der gewünschten Effizienzsteigerung führen, da die Gerichte die Eingaben ständig überwachen und Prozessänderungen (Klageänderung/-rücknahme) beachten müssten, was mit ganz erheblichem Aufwand verbunden wäre. Zudem müsse die Erarbeitung des entscheidungserheblichen Sachverhalts originäre Aufgabe des Zivilrichters bleiben und dürfe nicht auf die Anwaltschaft übertragen werden. Als Alternative schlägt die BRAK einen elektronischen Anlagenspiegel vor, d.h. ein neben den Schriftsätzen stehendes eigenes Dokument, in dem z.B. in chronologischer Reihenfolge der Parteivortrag inkl. Beweisangeboten und Anlagen dargestellt werden.
Schließlich beleuchtet das Papier der BRAK auch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI), wobei sie zwischen "entscheidungsunterstützender" und "entscheidungsersetzender" KI unterscheidet.
"Es ist nicht ausreichend, zu kritisieren und zu fordern. Man muss sich mit konkreten Vorschlägen einbringen. Das hat die BRAK getan und ihren Beitrag geleistet", begründete BRAK-Präsident Wessels den Forderungskatalog seiner Kammer. Das vollständige Papier kann auf der Webseite der BRAK unter https://brak.de/w/files/04_fuer_journalisten/presseerklaerungen/stn_60-v.-08.11.-brak-positionspapier_digitales-rechtssystem_forderungen-und-vorschlaege-der-anwaltschaft.pdf heruntergeladen werden.
[Quelle: BRAK]