Zum zweiten Mal in diesem Jahr trafen sich im Oktober die Justizminister des Bundes und der Länder, um über die Weiterentwicklung des materiellen und des Prozessrechts zu diskutieren (zur Frühjahrs-Justizministerkonferenz vgl. auch ZAP 2023, 515). In Berlin berieten sie auf ihrer Herbstkonferenz verschiedene zivilrechtliche und prozessuale Fragen sowie auch über die Schließung verschiedener Lücken im Strafrecht.
Im Vordergrund stand allerdings die Besorgnis der Ressortchefs über die aktuellen Bedrohungen des Friedens und des Rechtsstaats, ausgelöst v.a. durch die jüngsten Ereignisse in Israel, die auch hierzulande ihre Auswirkungen gezeigt haben. Die Minister verurteilten den terroristischen Angriff der Hamas vom 7. Oktober aufs Schärfste und bekräftigten, dass der Schutz Israels zu den zentralen historischen Fundamenten der Bundesrepublik zählt. Sie empfinden es deshalb auch als unerträglich, dass in Deutschland öffentlich Sympathiebekundungen für den Terror stattfinden, dass der Angriff auf Israel gefeiert wird und die Auslöschung des jüdischen Staats als Ziel propagiert wird. Die Bekämpfung jedweden Antisemitismus bleibe ein dauerhaftes und sehr wichtiges Anliegen der Justizministerkonferenz, bekräftigten sie. Sollten sich Schutzlücken im Hinblick auf das Existenzrecht Israels, den Schutz jüdischen Lebens sowie auch für den Erhalt des öffentlichen Friedens in Deutschland offenbaren, müssten diese schnellstmöglich geschlossen werden.
Große Besorgnis äußerten die Justizministerinnen und -minister auch hinsichtlich des Schutzes der Demokratie und des Rechtsstaats. Der freiheitliche demokratische Rechtsstaat sei auf unterschiedlichen Ebenen unter zunehmendem Druck geraten, etwa durch Desinformation und Hassrede. Man wolle sich deshalb um die Realisierung weiterer Maßnahmen zur Stärkung der gesellschaftlichen Resilienz gegen Einflussnahme und Manipulation einzusetzen, die z.B. an die auf Grundlage des „Pakts für den Rechtsstaat” durchgeführte Kampagne „Wir sind Rechtsstaat” anknüpfen könnten. Die Justizministerinnen und -minister bekräftigten in diesem Zusammenhang erneut, dass die im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien vereinbarte Verstetigung des „Pakts für den Rechtsstaat”, verbunden mit einem Digitalpakt, weiterhin dringend geboten sei, um die Justiz krisenfest aufzustellen. Eine konkrete Maßnahme wäre aus Sicht der Minister etwa die Verhinderung der Beauftragung von Sachverständigen und Gutachtern, die die freiheitlich demokratische Grundordnung aktiv bekämpfen; hier sollen die Informationsflüsse zwischen den Behörden im Hinblick auf die persönliche Eignung von Sachverständigen verbessert werden.
Daneben standen zahlreiche Änderungswünsche der Justizminister auf der Tagesordnung, die v.a. das Zivil- und das Zivilprozessrecht sowie vermutete Lücken im Strafrecht betreffen. Die wichtigsten werden nachfolgend kurz skizziert.
I. Zivilrecht/Zivilprozess
Nach Auffassung der Länderjustizminister hapert es derzeit an einer effektiven Durchsetzung von Fahrgastrechten im Flug- und Bahnverkehr. Bahn- und Flugpassagiere seien weiterhin erheblichen Kosten und bürokratischen Hürden ausgesetzt, um im Falle von Verspätungen bzw. Ausfällen ihre Ausgleichs- und Entschädigungsansprüche durchzusetzen. Auch würden insb. Fluggesellschaften häufig selbst in eindeutigen Fällen eine Zahlung erst mit erheblicher Zeitverzögerung oder sogar erst nach Einleitung gerichtlicher Maßnahmen leisten. Dies halte einen erheblichen Teil der Passagiere davon ab, ihre Ansprüche überhaupt geltend zu machen. Der Bundesjustizminister wurde daher gebeten, durch rechtliche Maßnahmen faktische Hürden für die Geltendmachung von Ansprüchen abzubauen und zudem durch geeignete rechtliche Instrumente dafür zu sorgen, dass den Beförderungsunternehmen der wirtschaftliche Anreiz für die verzögerte Befriedigung von Ausgleichs- und Entschädigungsansprüchen genommen wird.
- Abschaffung der Inhabergrundschuld
Einen für alle Beobachter überraschenden Vorschlag machten die Justizministerinnen und -minister zum Thema Kreditsicherungsrecht. Die Ressortchefs hatten sich im Vorfeld mit der in § 1195 BGB normierten Inhabergrundschuld befasst und kamen zu dem Ergebnis, dass diese in der Praxis nur noch äußerst selten als Sicherungsmittel benutzt wird. Aufgrund der Möglichkeit der dokumentationslosen Übertragung einer Inhabergrundschuld erscheine diese allerdings zur Umgehung der Vorschriften der Finanzmarktregulierung sowie zum Zweck der Geldwäsche geeignet. Überdies könnten Inhabergrundschulden ein erhebliches Gefahrenpotenzial für Schuldnerinnen und Schuldner begründen. Den Ansprüchen vormals unbekannter Dritter seien die Eigentümerin bzw. der Eigentümer des belasteten Grundstücks weitgehend schutzlos ausgeliefert, da der Gläubigerwechsel nicht nachvollzogen werden könne und gegenüber dem neuen Inhaber der Grundschuld kaum Einwendungen geltend gemacht werden könnten. Die Justizministerinnen und -minister baten deshalb den Bundesminister der Justiz, die Abschaff...