§ 164 Abs. 4 gewährt dem schwerbehinderten Menschen einen Rechtsanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber auf Beschäftigung, bei der er seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiter entwickeln kann und zwar unter Berücksichtigung der Behinderung und ihrer Auswirkungen auf die Beschäftigung.
Damit gewährt der Gesetzgeber dem schwerbehinderten Menschen einen individuell einklagbaren Rechtsanspruch auf Beschäftigung, der dadurch begrenzt wird, dass er dem Arbeitgeber unzumutbar bzw. mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist (vgl. Düwell LPK SGB IX zu § 164 Rn 178; Fabricius juris-PK SGB IX zu § 164 Rn 69). Die Grenze der Unzumutbarkeit ist dabei eher hoch anzusetzen, denn der Arbeitgeber hat eine gesteigerte Fürsorgepflicht gegenüber dem schwerbehinderten Menschen. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber besonders intensiv prüfen muss, welche Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen. Während der Prüfphase ist der Arbeitgeber gehalten, dem schwerbehinderten Menschen eine vorübergehende behinderungsgerechte Beschäftigung zu ermöglichen.
Zunächst erfüllt der Arbeitgeber den Anspruch i.d.R. dadurch, dass er dem Arbeitnehmer die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zuweist (Ausübung des Direktionsrechts). Ist der schwerbehinderte Mensch nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen, hat dies nicht zur Folge, dass der Beschäftigungsanspruch entfällt, sondern der schwerbehinderte Mensch hat einen Rechtsanspruch auf Vertragsänderung (vgl. BAG, Urt. v. 4.10.2005 – 9 AZR 632/04).
Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers:
- Zuweisung eines freien Arbeitsplatzes,
- Maßnahmen der Umorganisation (z.B. Arbeitsplatztausch, Änderung des Raums, des Teams),
- Kündigung eines anderen Mitarbeiters zur Besetzung mit dem schwerbehinderten Menschen (Freikündigung) (str.; BVerwG, BAG zurückhaltend),
- Versetzung auf einen behinderungsgerechten Arbeitsplatz,
- Zuweisung eines mit einem Leiharbeitnehmer besetzten Arbeitsplatzes.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, den Arbeitgeber vorab auf Zustimmung zur Vertragsänderung zu verklagen, denn der Beschäftigungsanspruch nach § 164 Abs. 4 SGB IX entsteht unmittelbar kraft Gesetz (vgl. BAG, Urt. v. 10.5.2005 – 9 AZR 230/04, NZA 2006, 155). Der Arbeitnehmer muss allerdings den Anspruch auf behinderungsgerechte bzw. leidensgerechte Beschäftigung unter Angabe der behinderungsbedingten bzw. krankheitsbedingten Beeinträchtigungen geltend machen (LAG Nürnberg, Urt. v. 18.4.2018 – 2 Sa 408/17, BB 2018, 1977-1984). Dabei ist auch möglich, dass der Arbeitnehmer im Rahmen einer Wiedereingliederung eine anderweitige, behinderungsgerechte Beschäftigung verlangt (BAG, Urt. v. 13.6.2006 – 9 AZR 229/05, NZW 2007, 91; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23.5.2018 – 15 Sa 1700/17).
Allerdings hat der Arbeitnehmer bereits nach dem Wortlaut keinen Anspruch auf einen ganz bestimmten Arbeitsplatz; der Anspruch beschränkt sich darauf, dass der Arbeitnehmer verlangen kann, dass er nach seinen Fähigkeiten und Kenntnissen unter Berücksichtigung seiner Behinderung beschäftigt wird. Dies wird konkretisiert durch § 164 Abs. 4 S. Nr. 4, 5 SGB IX, also die behinderungsgerechte Einrichtung, Ausstattung oder Umgestaltung des Arbeitsplatzes. Dies bedeutet auch, dass er keinen Anspruch auf Beförderung hat, wenngleich auch eine Beförderung an sich nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Umgekehrt gilt das Verbot der unterwertigen Beschäftigung (Fabricius juris-PK SGB IX zur § 164 Rn 66; Düwell SGB IX zu § 164 Rn 181).