1. Unterhalt vor Ablauf des Trennungsjahres
Leben die Ehegatten getrennt, so kann gem. § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB ein Ehegatte von dem anderen nach den Lebens-, Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen. Das OLG Düsseldorf (FamRZ 2022, 1609) weist darauf hin, dass bei der Bemessung des Bedarfs des unterhaltsberechtigten Ehegatten die Regeln für den nachehelichen Unterhalt gem. § 1578 Abs. 1 BGB entsprechend gelten (vgl. BGH FamRZ 2016, 199). Bei der Bemessung des Bedarfs sind die Einkünfte aus seiner Tätigkeit, soweit sie die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben, fiktiv zu berücksichtigen, wenn die Arbeitsstelle nach Trennung aufgegeben wird. Hierzu stellt das OLG klar, dass den unterhaltsbegehrenden Ehegatten, der während der Ehe eine längere Zeit nicht oder nur geringfügig beschäftigt war, regelmäßig im ersten Trennungsjahr keine Erwerbsobliegenheit bzw. keine Verpflichtung zur Ausweitung der Erwerbstätigkeit trifft. Eine solche Obliegenheit besteht nur, wenn dies nach seinen persönlichen Verhältnissen, insb. einer früheren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen erwartet werden kann (§ 1361 Abs. 2 BGB). Zwar ist im Gesetz nicht geregelt, wann die Verpflichtung zur Erwerbstätigkeit einsetzt. Während des ersten Trennungsjahres sind die Anforderungen jedoch gering, da der Erhalt der Ehe nicht durch eine zu tief wirkende Veränderung der Lebensweise zusätzlich gefährdet werden soll.
2. Berücksichtigung von Coronahilfen
Das OLG Bamberg (FamRZ 2022, 1026) stellt klar, dass zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit eines selbstständigen Unterhaltspflichtigen zwischen der Corona-Überbrückungshilfe III und den Corona-Soforthilfen zu unterscheiden ist. Anders als die Corona-Soforthilfen, die als reine Billigkeitsleistungen nicht an entgangene Umsätze anknüpften, sondern allein der Hilfe in existenzieller Notlage dienten, bestimmt sich die Höhe des Überbrückungsgeldes nach betrieblichen Kennzahlen zum Ausgleich erheblicher Umsatzausfälle. Der gesetzgeberische Zweck der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz erfasst die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Einnahmen aus der Überbrückungshilfe sind daher gewinnerhöhend bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommens zu berücksichtigen.
3. Verwirkung
Zum Verwirkungstatbestand der verfestigten Lebensgemeinschaft des Unterhaltsberechtigten mit einem neuen Partner i.S.d. § 1579 Nr. 2 BGB weist das OLG Düsseldorf (FamRZ 2022, 1611) darauf hin, dass es dabei nicht um die Sanktion eines vorwerfbaren Fehlverhaltens geht, sondern um die angemessene Erfassung objektiver Gegebenheiten in den Lebensverhältnissen, die eine dauerhafte Unterhaltsleistung unzumutbar erscheinen lassen. Maßgeblich ist, ob es sich um ein Verhältnis handelt, das in seiner wirtschaftlichen und persönlichen Ausprägung einem eheähnlichen Verhältnis gleichkommt. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH FamRZ 2011, 1854) ist von einer Verfestigung der außerehelichen Beziehung nach einer Dauer von zwei bis drei Jahren auszugehen. Im Einzelfall kann eine verfestigte Lebensgemeinschaft auch vor Ablauf dieser Frist in Betracht kommen, wenn etwa ein gemeinsames Hausprojekt in Angriff genommen worden ist. Der Annahme einer verwirkungsbegründenden Lebensgemeinschaft vor Ablauf der Frist kann entgegenstehen, dass die Unterhaltsberechtigte und ihr Partner erheblichen Anfeindungen des Unterhaltspflichtigen ausgesetzt sind, die deren Beziehung belasten und zu einer zunächst distanzierten Beziehungsaufnahme geführt haben.
Auch das OLG Zweibrücken (FamRZ 2022, 1603 m. Anm. Bergschneider = FuR 2022, 631 m. Hinw. Kaplan) geht von einer verfestigten Lebensgemeinschaft aus, wenn der an sich unterhaltsberechtigte Ehegatte mit seinem neuen Partner ein Grundstück erwirbt, um darauf ein gemeinsames Haus zu bauen, selbst dann, wenn die Hausbaupläne aufgrund gestiegener Baukosten zurückgestellt oder ganz aufgegeben werden.