I. Einleitung
Die Kontinuität des Wandels im europäischen und deutschen Verbraucher(privat)recht hat eine weitere Bestätigung erfahren: Nachdem die EU-Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU vom 25.10.2011 (ABl Nr. L 304, S. 64) mit dem zum 13.6.2014 in Kraft getretenen "Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechtsrichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung" vom 20.9.2013 (BGBl I S. 3642) umgesetzt worden ist (vgl. N. Fischer ZAP F. 2, S. 611 ff. m.w.N.), hat mit kurzem zeitlichen Abstand erneut eine EU-Richtlinienumsetzung zu weiteren Änderungen im deutschen (Verbraucher)Privatrecht geführt. Die "Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.2.2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010" (EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie, ABl L 60 v. 28.2.2014, S. 34, kurz: WIKrRL) dient der Harmonisierung des Bereichs der Bau- und Wohnkredite, der wegen seiner Besonderheiten vom Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinien ausgenommen wurde, s. Art. 2 Abs. 2b der VerbrKrRL 2008/48/EG (v. 23.4.2008, ABl EU Nr. L 133/66) und Art. 2 Abs. 1a der Vorgängerrichtlinie 87/102/EWG (v. 22.12.1986, ABl Nr. L 42/48). Das (gemäß seinem Art. 16 im Wesentlichen) zum 21.3.2016 in Kraft getretene "Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften" vom 11.3.2016 (BGBl 2016 I Nr. 12 S. 396; kurz: "Umsetzungsgesetz") enthält (auch über die Richtlinienumsetzung hinaus, s. BT-Drucks 18/7584, S. 1) eine Fülle von Änderungen vor allem im Verbraucherprivatrecht und wirkt sich dabei auch auf die jüngst reformierten verbraucherschützenden Widerrufsrechte aus – stellt also erneut eine "Reform der Reform" in der europäisch determinierten deutschen Normsetzung dar.
Hinweis:
Vorliegender Beitrag beschränkt sich auf einen grundsätzlichen Überblick zu den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der WIKrRL (II.) und den wesentlichen Änderungen im deutschen (Verbraucher-)Privatrecht (III. 1.). Dies mündet nach Hinweisen auf weitere Rechtsänderungen durch das Umsetzungsgesetz (III. 2.) in ein erstes bewertendes Fazit zu der – rechtspolitisch wie rechtsdogmatisch nicht unumstrittenen – Reform, deren erste Reformierung bereits zu erwarten ist (IV.).
II. Reformanlass und -vorgabe der WIKrRL
Mit der im Februar 2014 verabschiedeten WIKrRL will der europäische Gesetzgeber einen Bereich harmonisieren, der von der Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/EU (VerbrKrRL) bislang ausgenommen wurde, denn diese umfasst Immobiliarkredite ebenso wenig wie grundpfandrechtlich gesicherte Kredite.
1. Zielsetzung
Aufgrund der Auswirkungen der Finanzkrise war die Endfassung der Richtlinie nicht mehr vom Prinzip der Vollharmonisierung (krit. zur Methode der "Rechts-Harmonisierung" N. Fischer VuR 2003, 374 ff. m.w.N.) geprägt. Vielmehr enthält diese Richtlinie, die insbesondere dem Schutz der Verbraucher vor Überschuldung dient, große Spielräume für die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung in das jeweilige nationale Recht, in dem sie überwiegend Mindeststandards ("targeted harmonisation") formuliert (vgl. Erwägungsgründe 7 und 14 sowie Art. 2 WIKrRL; s. insb. zur Entstehungsgeschichte der Richtlinie m.w.N. Rott BKR 2015, 8 ff., 8 f.). Eine "Vollharmonisierung" findet sich daher nur bei den Regularien hinsichtlich einheitlicher vorvertraglicher Informationen mittels eines "europäischen standardisierten Merkblattes" ("European Standardised Information Sheet", sog. ESIS-Merkblatt gem. Art. 2 Abs. 2 WIKrRL, vgl. dazu deren Anhang II) sowie bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses nach Art. 2 Abs. 2 WIKrRL (s. deren Anhang I). Hervorhebenswert am ESIS-Merkblatt ist neben der geforderten Datenfülle insbesondere, dass dessen Teil B ausführliche Erläuterungen dazu enthält, wie es auszufüllen ist (s. dazu Erwägungsgrund 43 der WIKrRL). Vorgesehen ist auch, dass die rechtlichen Begriffe der WIKrRL allgemeinverständlich erklärt werden (vgl. Erwägungsgrund 19 der WIKrRL). Insbesondere ist dem bindenden Angebot des Kreditgebers das ESIS-Merkblatt beizulegen; Mitgliedstaaten können ebenfalls vorsehen, dass das Merkblatt ausgehändigt werden muss, bevor ein bindendes Angebot gemacht wird (s. Erwägungsgrund 44 der WIKrRL).
2. Anwendungsbereich
Die Richtlinie ist nach Art. 3 Abs. 1 WIKrRL auf grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen anzuwenden, wobei der Finanzierungsgegenstand nicht notwendig eine Immobilie sein muss (Art. 3 Abs. 1a WIKrRL). Sie findet Anwendung auf (nicht zwingend grundpfandrechtlich gesicherte) Darlehen zum Erwerb oder zur Erhaltung von Eigentumsrechten an einem Grundstück oder einem geplanten bzw. bestehenden Gebäude (Art. 3 Abs. 1b WIKrRL). Ausnahmekataloge enthalten sowohl Art. 3 Abs. 2 als auch Abs. 3 WIKrRL, wenngleich die Ausnahmen in den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen zurückgenommen werden können (vgl. dazu nur Rott BKR 2015, 8 ff., 9 m.w.N.). In Art. 4 findet sich der (übliche) ausführliche Katalog gemeinschaftsrechtlicher "Begriffsbestimmungen", d...