Nach heftiger Kritik an dem Gesetzentwurf zu Videoaufzeichnungen im Strafprozess hat Bundesjustizminister Marco Buschmann einen überarbeiteten Entwurf vorgelegt. Darin ist jetzt nur noch die Tonaufzeichnung zwingend vorgesehen, die Videoaufzeichnung dagegen nicht mehr.
Der ursprüngliche, im November vergangenen Jahres vorgelegte Entwurf für ein „Gesetz zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung” sah noch vor, die Hauptverhandlung künftig in Bild und Ton aufzuzeichnen und die Tonaufzeichnung mittels Transkriptionssoftware in ein Textdokument umzuwandeln (vgl. dazu näher Anwaltsmagazin ZAP 2022, 1254). Während die Anwaltschaft sich positiv zu den Plänen äußerte, kam vehemente Kritik von Seiten der Justiz. Richterschaft und Staatsanwälte bemängelten, Zeugen und Sachverständige könnten sich durch die verpflichtende audiovisuelle Aufzeichnung des Verfahrens verunsichert und eingeschüchtert fühlen; zudem befürchteten sie, dass es in Zukunft vermehrt zu „Beweisaufnahmen über die Beweisaufnahme” kommen könnte (s. dazu Anwaltsmagazin ZAP 2023, 258).
Die Kritik aus der Justiz hat ihre Wirkung offenbar nicht verfehlt. Wie der Bundesjustizminister Anfang April erklärte, hat sein Ministerium drei Änderungen am ursprünglichen Gesetzentwurf vorgenommen:
- Erstens wird u.a. klargestellt, dass der BGH, das oberste Revisionsgericht, nicht zu einer Tatsacheninstanz werden kann.
- Zweitens sollen die Länder die Verpflichtung zur flächendeckenden Aufzeichnung der Hauptverhandlungen bei den Staatsschutzsenaten erst zum 1.1.2028 umsetzen müssen und nicht bereits Anfang 2026. Bei den Landgerichten bleibt es jedoch bei dem „Einführungskorridor” bis zum 1.1.2030.
- Drittens nimmt das BMJ die Kapazitätsprobleme der IT-Abteilungen der Justizbehörden ernst, die argumentiert hatten, bis Anfang 2026 noch stark mit der flächendeckenden elektronischen Akte beschäftigt zu sein. In dem überarbeiteten Entwurf ist jetzt vorgesehen, nur die Tonspur und die Transkription der Aufzeichnung verpflichtend zu machen und den Ländern die Entscheidung über die Einführung der Videoaufzeichnung als Option zu überlassen.
Gegenüber der Presse erläuterte Buschmann, dass er die Hoffnung hat, dass einige Länder trotz der Abschwächung des Entwurfs vorangehen werden und Pilotprojekte auch zur Videoaufzeichnung starten. Bund und Länder müssten bei der Digitalisierung der Justiz insgesamt schneller vorankommen, betonte der Minister. Er verwies auf die derzeitigen papierhaften Gerichtsakten, die im Justizjargon auch „Gürteltiere” genannt werden, weil sie von einem Textilband zusammengehalten werden. Diese Art der „Gürteltiere”, so der Minister, würde er gerne so schnell wie möglich auf die „Liste der bedrohten Arten” setzen.
[Red.]