Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hält die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen für die Wirtschaft (s. dazu Anwaltsmagazin ZAP 8/2020, S. 373 ff.) zumindest mit Blick auf die Anwaltschaft für unzureichend. BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels hat sich deshalb mit einem Brief an die Bundeskanzlerin gewandt und mehr Soforthilfen für die Anwaltschaft sowie die Anerkennung des Berufsstands als "systemrelevant" gefordert.
"Die Anwaltschaft hat in dieser Krise als Organ der Rechtspflege eine elementare Bedeutung für das Funktionieren unseres Rechtsstaats. Dieser wichtigen Aufgabe müssen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Interesse der Bürgerinnen und Bürger weiter nachkommen. Sie müssen ihr aber auch weiter nachkommen können. Deshalb müssen Anwältinnen und Anwälte, ebenso deren notwendiges Personal in den Kanzleien, Anspruch auf Notbetreuung ihrer Kinder haben", so Wessels in seinem Schreiben vom 31. März, das direkt an Bundeskanzlerin Angela Merkel gerichtet war.
Die Anwaltschaft sei im Kanon aller der Rechtsordnung verpflichteten Berufe gleichrangig und daher der Justiz sowie öffentlichen Einrichtungen und Behörden von Bund und Ländern, Senatsverwaltungen, Landesämtern und nachgeordneten Behörden gleichzustellen, führte der BRAK-Präsident weiter aus. Im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sei besonders in der aktuellen Krisensituation der Zugang zum Recht unbedingt sicherzustellen. Gerade jetzt zeigte sich besonders akuter Beratungsbedarf, sei es im Arbeitsrecht oder im Insolvenzrecht.
Hinsichtlich der Maßnahmenpakete zur Soforthilfe sieht Wessels ebenfalls dringenden Anpassungsbedarf, da die Anwaltschaft im Ergebnis unberücksichtigt bleibe und im Vergleich zu anderen Unternehmen benachteiligt werde. Der bei etwaigen Anträgen darzulegende Liquiditätsengpass werde sich, anders als beispielsweise im Handel, erst zeitverzögert einstellen, worauf die Maßnahmenpakete nicht hinreichend ausgerichtet seien. Wessels fordert daher eine Anpassung der Antragsvoraussetzungen.
"Die Anwaltschaft muss als eines der tragenden Elemente unseres Rechtsstaates unterstützt werden. Insbesondere darf sie nicht schlechter stehen als andere Unternehmer. Dies ist aber dann der Fall, wenn faktisch Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Soforthilfe geschaffen werden, die ein Anwalt oder eine Anwältin nicht erfüllen kann, oder die Anwaltschaft gar von vornherein, wie in Thüringen der Fall, explizit vom Anwendungsbereich der Maßnahmenpakete ausgeschlossen wird".
Wessels appellierte daher an die Kanzlerin, sich für die Anwaltschaft und damit den Rechtsstaat selbst stark zu machen: "Die Funktionsfähigkeit der Justiz und damit unseres Rechtsstaats muss gewährleistet bleiben. Ohne Anwaltschaft kann die Justiz nicht funktionieren!"
Die berechtigten Forderungen haben ihre Wirkung nicht verfehlt: Nachdem die Systemrelevanz der Anwaltschaft zuvor nur in Brandenburg und Sachsen-Anhalt anerkannt wurde, zogen nun auch Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern nach. Weitere Bundesländer haben eine Erweiterung der Notbetreuung angekündigt, bislang jedoch noch keine Einzelheiten verkündet (s. dazu die aktuelle BRAK Presserklärung Nr. 8 vom 20.4.2020).
[Quelle: BRAK]