Wertermittlungsanspruch gem. § 2314 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB betreffend eines im Nachlass befindlichen Grundstücks kann in Hessen durch Vorlage einer durch Ortsgerichte vorgenommenen Schätzung erfüllt werden.
Gem. § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte der nicht Erbe ist, vom Erben verlangen, dass dieser ihm über den Bestand des Nachlasses Auskunft erteilt.
Neben diesem, der Vorbereitung des auf Zahlung gerichteten Pflichtteilsanspruchs dienenden Auskunftsanspruchs, steht dem Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Alleinerben zudem der Wertermittlungsanspruch gem. § 2314 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB in Bezug auf einzelne Nachlassgegenstände zu.
Der Anspruch auf Wertermittlung verpflichtet den Erben dem Pflichtteilsberechtigten diejenigen Informationen zukommen zu lassen, die den Berechtigten in die Lage versetzen, seinen Pflichtteilsanspruch selbst zu berechnen. Es besteht damit ein Anspruch auf Vorlage aller Unterlagen, die für die konkrete Wertberechnung des Nachlassgegenstands erforderlich sind. Geht es um einen im Nachlass befindlichen Grundbesitz, sind dem Pflichtteilsberechtigten auf Verlangen daher Grundbuchauszüge, Grundrisszeichnungen, Baubeschreibungen vorzulegen.
Sofern die vorgelegten Unterlagen und die darin enthaltenen Informationen kein hinreichendes Bild über den Wert des Nachlasses ermöglichen, kann darüber hinaus die Einholung und Vorlage eines Wertgutachtens – durch einen unabhängigen und unparteiischen Sachverständigen, der nicht notwendigerweise öffentlich vereidigt zu sein braucht (Grüneberg, 81. Aufl. 2022, § 2314 Rn 15; OLG Köln, FamRZ 2012,10) – auf Kosten des Nachlasses verlangt werden.
Das OLG Frankfurt am Main hatte in dem vorliegenden Fall, ebenso wie das erstinstanzlich mit der Sache befasste LG Darmstadt, über die streitgegenständliche Frage zu entscheiden, ob der seitens des Pflichtteilsberechtigten geltend gemachte Wertermittlungsanspruch betreffend ein im Nachlass befindliches bebautes Grundstück durch die Einholung und Vorlage einer ortsgerichtlichen Schätzung erfüllt worden ist.
In dem, dem Gericht zur Entscheidung vorgelegten Fall machte der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Alleinerben in Bezug auf den im Nachlass befindlichen Grundbesitz den Wertermittlungsanspruch gem. § 2314 Abs. 1 S. 2 Hs.2 BGB geltend und verlangte die Vorlage eines Wertermittlungsgutachtens durch einen unabhängigen und unparteiischen Sachverständigen.
Belegenheitsort des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks – sowie der allgemeine und besondere Gerichtsstand im vorliegenden Fall – war eine hessische Stadt im Rhein-Main-Gebiet.
Das Einfamilienhaus ist von der Erblasserin und dem späteren Alleinerben selbst genutzt worden.
Der Alleinerbe legte dem Pflichtteilsberechtigten zwecks Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs eine nach der Sachwertmethode erfolgte – stichtagsbezogene – Schätzung des Verkehrswerts durch das von ihm damit beauftragte örtlich zuständige Ortsgericht vor.
Der Pflichtteilsberechtigte war der Ansicht, dass die vorgelegte ortsgerichtliche Schätzung nicht die Voraussetzungen des geltend gemachten Wertermittlungsanspruchs gem. § 2314 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB erfülle, weshalb er sein Begehren auf Ermittlung des Werts des Nachlassgrundstücks durch Vorlage eines Gutachtens eines unparteiischen und unabhängigen Sachverständigen zunächst erstinstanzlich vor dem LG Darmstadt und in der zweiten Instanz weiter vor dem OLG Frankfurt am Main verfolgte.
Das OLG Frankfurt am Main bestätigte in seinem Urt. v. 8.12.2021 – AZ. 12 U 110/21 vollumfänglich die Rechtsauffassung des LG Darmstadt im Urt. v. 3.5.2021 dahingehend, dass der beklagte Erbe den Wertermittlungsanspruch aus § 2314 Abs. 1 S 2 Hs. 2 BGB durch die Vorlage der ortsgerichtlichen Schätzung des Verkehrswerts erfüllt hat.
Damit setzt der Senat die Rechtsprechung des OLG Frankfurt im Beschl. v. 1.9.2021 – 12 W 35/21 sowie die des LG Limburg im Urt. v. 11.7.1990 – AZ. 2 O 59/90 fort.
Zur Begründung der Entscheidung führt der mit der Entscheidung befasste Senat insbesondere Sinn und Zweck des gesetzlich normierten Wertermittlungsanspruchs an, nämlich, es dem Pflichtteilsberechtigten zu ermöglichen, sich ein umfassendes Bild vom Nachlass zu verschaffen, um die Kosten und Erfolgsaussichten eines Pflichtteilsprozesses einschätzen zu können.
Insoweit ist auch auf die Entscheidungsbegründung des BGH im Urt. v. 19.4.1989 – IVa ZR 85/88 –, BHZ 107, 200-204, hinzuweisen, die das OLG Frankfurt zur Begründung der Entscheidung ebenfalls anführte.
Der BGH führt in den Entscheidungsgründen der vorstehend zitierten Entscheidung wie folgt aus:
Zitat
"Die praktische Bedeutung von Wertermittlungsgutachten in den Fällen des § 2314 BGB wird ohnehin nicht selten überschätzt. Gutachten dieser Art können Meinungsverschiedenheiten über den Wert von Gegenständen des – realen oder fiktiven – Nachlasses nicht entscheiden und allenfalls unter günstigen Umständen beenden helfen. Kommt es zu einem Rechtsstreit über den Pflichtteil, dann sind erfahrungsgemäß weitere G...