1. "Osnabrücker Modell" als Erfolgsmodell in Niedersachsen
Staatsanwältin Hermenau stellte zum Thema der zeitnahen Betriebsprüfung das "Osnabrücker Modell" vor, das derzeit in Niedersachsen erprobt werde. Nach diesem Modell würden die Besteuerungsunterlagen gemeinsam mit den steuerpflichtigen Unternehmen dergestalt ermittelt, dass die steuerpflichtigen Unternehmen die steuerlich relevanten Daten in einer Steuererklärung aufbereiteten und beim Finanzamt ohne Unterschrift einreichten. Nach erfolgter Prüfung werde die endgültige Steuererklärung unterschrieben. Grundsätzlich zeichne sich das "Osnabrücker Modell" durch ein Vertrauensverhältnis zwischen Steuerpflichtigen und Staat aus. Ein solches Verhältnis werde deshalb ausschließlich zu Unternehmen aufgebaut, die von ihrem Standing und ihrer Seriosität her einen Vertrauensvorschuss rechtfertigten.
Die mit der zeitnahen Betriebsprüfung einhergehende Kooperation führe auf beiden Seiten zu Synergieeffekten. Auf Seiten der Unternehmen werde hinsichtlich der Veranlagung relativ schnell Planungssicherheit herbeigeführt. Langjährige Rechtsstreitigkeiten würden im Regelfall vermieden, da im Wege des kooperativen Verhaltens übereinstimmend auf formaljuristische Rechte verzichtet werde. Aus Sicht der Steuerverwaltung bestehe der Vorteil, dass etwaige Steuernachforderungen zeitnah generiert werden könnten. Insbesondere werde vermieden, dass sich über Jahre Steuerforderungen aufsummierten und Unternehmen im Rahmen der Tilgung dieser Verbindlichkeiten in finanzielle Schwierigkeiten gerieten.
2. Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung im Besteuerungsverfahren
Nach Dr. Spindler dürften Veränderungen im Besteuerungsverfahren nicht zulasten des Grundsatzes der gleichmäßigen Besteuerung gehen. Nach § 85 AO müssten Steuern nach Maßgabe der Steuergesetze gleichmäßig festgesetzt und erhoben werden. Dieser Grundsatz gelte auch für das von der Finanzverwaltung bundesweit geplante Projekt des Risikomanagements, mit dessen Hilfe prüfungsbedürftige Steuerfälle weitgehend automatisiert ausgewählt werden sollen.
Seit Jahrzehnten versuche man diesem Gesetzesauftrag gerecht zu werden. Es müsse jedoch festgestellt werden, dass diese Aufgabenstellung bis heute nur eingeschränkt umgesetzt worden sei, wobei der Finanzverwaltung hierbei kein Vorwurf gemacht werden könne. Man müsse sich nämlich die Frage stellen, ob die Steuergesetze von ihrer Art her überhaupt eine gleichmäßige und gesetzeskonforme Besteuerung gewährleisten könnten. Das Problem verdeutliche sich, wenn Landesfinanzminister, die mit ihrer Verwaltung für die Umsetzung der Steuergesetze zuständig seien, von nicht mehr administrierbarem Recht sprächen. Der Prüfungsturnus der Außenprüfung zeige exemplarisch, dass man sich sehr weit von dem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts deklarierten Element der Verifikation durch die Steuerverwaltung entfernt habe. Bei Kleinstbetrieben finde beispielsweise statistisch gesehen nur alle 90 Jahre eine Außenprüfung statt. Es müsse darüber nachgedacht werden, auf welche Weise eine Verbesserung des Vollzugs in einem von Massenverfahren bestimmten Veranlagungsverfahren unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erreicht werden könne. Illusionär sei es allerdings zu glauben, einen vollständig gleichmäßigen Vollzug erreichen zu können.