2.2.1.1 Ausgangsbeispielsfall/Grundsätzliches
Der Ehemann, Alleineigentümer des Familienheims, schwer erkrankt, möchte für seine Angehörigen (Ehefrau und eines von zwei Kindern) die steuergünstigste Weiterleitung des riesigen Seegrundstücks bei Konstanz am Bodensee erreichen. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Ehefrau sich in dem Haus nach seinem Ableben allein weiter wohlfühlt. Eine Tochter ist sehr daran interessiert, mit ihrer großen Familie in das Haus einzuziehen.
Vermieden werden muss, dass die Ehefrau in der Zehnjahresfrist (Nr. 4 Buchst. b) Satz 2) nachsteuerschädlich auszieht und das Objekt etwa dem Kind ohne Steuerbefreiung (Nr. 4 Buchst. c): "von Todes wegen") schenkt. Zieht sie nur aus und vermacht das Objekt, während die Tochter sofort einzieht, fehlt es allerdings an einer Selbstnutzung der Erblasserin (hier der Ehefrau) vor dem Tod.
Eine Variante könnte im Beispielsfall deshalb sein, der Ehefrau ein Wahlvermächtnis (§ 2154 BGB) zwischen dem Haus und einem Geldbetrag zur Anschaffung einer adäquaten neuen Bleibe zu gewähren und für den Fall ihrer Wahl des Geldbetrags der Tochter das Haus als (Ersatz-)Vermächtnisnehmerin zuzuweisen. Die Ehefrau hat nunmehr – zeitlich begrenzt – Bedenkzeit. Wählt sie allerdings zunächst das Haus und zieht später in der Nachsteuerfrist aus, stellt sich die Frage der Nachsteuervermeidung.
Insbesondere wenn ein Ehepaar zwei Wohnsitze hat oder nebst seinem größeren selbst bewohnten Einfamilienhaus auch ein vielleicht stadtzentral gelegenes Mietshaus zur Verfügung steht, in dem eine Wohnung vom überlebenden Ehepartner genutzt werden könnte, kann es sich anbieten, dem überlebenden Ehepartner ein Wahlvermächtnis einzuräumen, ob er den Hauptwohnsitz oder ggf. einen Nebenwohnsitz nehmen möchte, ggf. auch beides, oder ob er etwa an einer bislang vermieteten Eigentumswohnung (Kündbarkeit des Mietverhältnisses unterstellt) oder an einem Geldbetrag zum Erwerb einer neuen, als Wohnung zur Eigennutzung erworbenen Immobilie nunmehr interessiert ist. Bei Beteiligung des Ehepartners versteht es sich bei jedem Wahlvermächtnis aber von selbst, dass selbstverständlich der Ehepartner das erste Wahlrecht hat.
2.2.1.2 Regelung im Einzelnen
Bei der Bestimmung der Fristen für das Wahlvermächtnis des Ehepartners zwischen Fortsetzung der Nutzung des Familienheims und Auszug sollte berücksichtigt werden, dass seine Frist für den Auszug nicht zu kurz bemessen sein sollte, auf der anderen Seite sich für die Steuerbefreiung nach Nr. 4 Buchst. c) eine unverzügliche Eigennutzung des Kindes an die des Erblassers anschließen muss, der Auszug bzw. der Einzug also kaum später als sechs Monate nach dem Tod stattfinden darf, unter Berücksichtigung der Fristen für Haushaltsauflösung, Kündigung etc.
Beispiel für eine Formulierung:
Mein Ehepartner erhält das von uns eigengenutzte Einfamilienhaus ... Meinem Ehepartner steht aber anstelle des vorstehenden Grundstücksvermächtnisses auch wahlweise als Vermächtnis ein Geldbetrag iHv EUR ... aus dem Nachlass zu, vorrangig zwecks Erwerbs einer alternativen Wohnung, aber ohne Verpflichtung hierzu.
Nach dem Tod des längstlebenden Ehepartners stellt sich häufig die Frage, welches Kind im Hinblick auf Buchst. c) das Familienheim erwerben könnte. Hier ist es sinnvoll – unter erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten –, unter mehreren denjenigen auszuwählen oder auswählen zu lassen, der die größtmögliche Gewähr dafür bietet, das Haus langfristig zu bewohnen und es steuerfrei zu erwerben, um den größtmöglichen Steuervorteil als Familie zu erzielen. Auch hier bietet es sich an, ein Wahlrecht durch Wahlvermächtnis iSd § 2154 BGB zu gewähren. Da das Wahlvermächtnis an die Auswahl zwischen mehreren Gegenständen anknüpft, muss allerdings neben dem Familienheim wenigstens ein weiterer Vermögenswert zur Verfügung stehen, ggf. also wiederum eine vermietete Immobilie, ein Zweitwohnsitz oder z. B. ein Depot, damit eine sachliche Wahl ausgeübt werden kann. Falls der Erblasser das Wahlrecht dem Bedachten unmittelbar zuwendet, hat der Betreffende einen erheblichen Vorteil. Denkbar erscheint es stattdessen auch, das Wahlrecht einem neutralen Dritten, etwa auch einem außenstehenden Testamentsvollstrecker, zuzuweisen, als Dritter iSd § 2154 Abs. 1 Satz 2 BGB. Hier könnte es Sinn machen, als zusätzliche Bedingung die "zugesicherte" Eigennutzung des Vermächtnisnehmers über die 10-Jahres-Periode festzuschreiben.
Eine geeignete Formulierung für ein Wahlvermächtnis in diesen Fällen könnte lauten:
Im Wege des Wahlvermächtnisses (§ 2154 BGB) vermache ich (bzw. vermacht der Längstlebende von uns) unseren Kindern A und B jeweils entweder die Immobilie 1 (Familienheim) oder die Immobilie 2 (Mietwohngrundstück) so, dass der Testamentsvollstrecker nach Eintritt des Erbfalls auswählt, welcher Bedachte welche Immobilie erhält. Er hat die Auswahl nach seinem Amtsantritt innerhalb von drei Monaten zu treffen, nachdem er zuvor bei den Wahlvermächtnisnehmern angefragt hat, wer bereit ist, unverzüglich die Eigennutzung zu beginnen. Äußert nur eines unserer Kinde...