Leitsatz
Stimmt der Vertragserbe einer sein Erbrecht beeinträchtigenden letztwilligen Verfügung privatschriftlich zu, führt dies nicht zur Wirksamkeit derselben.
Stimmt der Vertragserbe jedoch privatschriftlich der sein Erbrecht beeinträchtigenden Verfügung, hier: der Anordnung eines Vermächtnisses zu und erfüllt das Vermächtnis über einen längeren Zeitraum, ohne sich gegen den Grund des Anspruchs zu wenden, steht möglicherweise § 242 der Berufung auf die Unwirksamkeit des Vermächtnisses entgegen.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. April 2017 – 7 U 12/16
Sachverhalt
I. (...)
Der Erblasser I.G. betrieb eine Spedition mit zwei Niederlassungen und war in erster Ehe mit seiner Frau L verheiratet. Die Ehegatten errichteten in den Jahren 1962, 1968 und 1971 notarielle Erbverträge, wobei der jüngere den älteren jeweils ersetzte. In diesen Erbverträgen (Anlagen K 1 bis K 3) erklärten sie, dass der gemeinsame Sohn, der Beklagte, Alleinerbe nach dem Erblasser sein und die Spedition fortführen solle. Der Ehefrau wurde der Nießbrauch an dem gesamten Nachlass vermacht, hinsichtlich des Unternehmens beschränkt auf eine lebenslange monatliche Rente nach der Besoldungsgruppe A 14 des Besoldungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen. Frau L.G. verstarb am 25.9.1974.
Am 22.3.1977 heiratete der Erblasser die Klägerin. Am 11.11.1977 errichteten sie einen neuen Erbvertrag, in welchem der Erblasser seinen Erbvertrag aus dem Jahr "1968" anfocht, den Beklagten als Alleinerben und die Klägerin als Vermächtnisnehmerin einsetzte (Anl. K 4). Das ihr ausgesetzte Vermächtnis enthält insbesondere eine Leibrente nach dem Gehalt eines Regierungsdirektors der Besoldungsgruppe A 15 nach dem Bundesbesoldungsgesetz, die jährlich 13-fach zu entrichten war. Die Klägerin verzichtete auf Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem Erblasser.
Am 8.2.1978 unterzeichnete der Beklagte eine privatschriftliche Erklärung, er habe eine Abschrift des Erbvertrags vom 11.11.1977 erhalten und er sei mit dem Inhalt der Regelung einverstanden. Der Notar reichte eine beglaubigte Ablichtung der Anfechtungserklärung nebst Erklärung des Beklagten vom 8.2.1978 an das Nachlassgericht ein, welche dort am 24.5.1978 einging. Mit Schreiben vom 6.10.1986 übersandte der Notar dem Nachlassgericht eine auszugsweise Ausfertigung der Urkunde vom 11.11.1977. Die Akten ... waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die Eheleute errichteten am 2.4.1998 vor dem Notar eine Ergänzung zum Erbvertrag von 1977 (Anlage K 5), mit der der Klägerin das Vermögen des Erblassers in Spanien vermacht wurde. Am 10.6.1998 schlossen der Erblasser und der Beklagte einen notariellen Pflichtteilsverzichtsvertrag, in dem sich der Beklagte mit dem im Erbvertrag vom 2.4.1998 angeordneten Vermächtnis einverstanden erklärte und er insoweit auf sein künftiges Pflichtteilsrecht an dem in Spanien belegenen Vermögen des Erblassers verzichtete (Anlage K 12, Bl 84).
Nach dem Tod des Erblassers am 6.7.1998 bis Ende des Jahres 2014 zahlte der Beklagte an die Klägerin die im Vermächtnis zugewandte Leibrente.
Am 25.10.2005 wandte sich der Beklagte an die Klägerin mit dem Ansinnen, anlässlich Ihres 65. Geburtstages den Betrag der Leibrente wie bei einem Pensionär zu kürzen. In dem Schreiben heißt es:
Zitat
"Konzentriert man sich auf das Wesentliche unseres Erbvertrages, so wird vor allem klar, dass eines für alle Zeiten gewährleistet sein soll: Versorgungssicherheit. Ich verbürge mich, stets dafür einzutreten, und so würde es im Erbfall auch mein Rechtsnachfolger tun. Als Hauptverantwortlicher unserer Betriebe bin ich jedoch ebenso verpflichtet, die Kontinuität des Leistungsvermögens im Auge zu behalten. Diese resultiert aber nicht aus Konsum, sondern aus Investition der Mittel zur Erhaltung und Modernisierung des Anlagevermögens. Als Konsequenz wird letztlich auch Deine Versorgung auf ein solides Fundament gestellt."
Die Klägerin antwortete mit Anwaltsschreiben vom 17.11.2005 (Anl. B1, Bl 63) und wies darauf hin, dass bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des Textes des Erbvertrags folge, dass die Leibrente entsprechend dem Gehalt eines Regierungsdirektors der Besoldungsgruppe A 15, Dienstaltersstufe 11 nach dem Bundesbesoldungsgesetz bis zum Lebensende gezahlt werden müsse.
Anfang 2013 kam es zwischen den Parteien erneut zu einem Austausch über die Höhe der Leibrente. Der Beklagte war der Auffassung, dass sich in den letzten 15 Jahren die Entwicklung der Beamtenversorgung, nach der sich die Versorgungsleistung der Klägerin berechnet, immer weiter von der Realwirtschaft entfernt habe und dass deswegen die Leibrente zu kürzen sei. Die Parteien einigten sich in einem Gespräch, welches der Beklagte im Schreiben vom 7.2.2013 (Anl. K 8) wie folgt zusammenfasste:
Zitat
"Dies vorausgeschickt hast Du mich nach dreiwöchiger Bedenkzeit gestern um ein erneutes Gespräch gebeten, welches heute morgen in Deinem Haus geführt wurde. Nach ausführlicher Betrachtung der Gesamtsituation haben wir uns auf der Basis eines von Dir gemachten Kompromissvorsc...