Leitsatz
1. Die Form einer in Brasilien erklärten Ausschlagung der Erbschaft nach einem in Deutschland verstorbenen Erblasser richtet sich alternativ nach brasilianischem Recht (Ortsform) oder nach deutschem Recht (das anzuwendende Erbrecht).
2. Die notwendige notarielle Beglaubigung der Unterschrift des Ausschlagenden kann im Wege der Substitution durch die Beglaubigung einer vergleichbaren autorisierten Person des brasilianischen Rechts ersetzt werden.
OLG Köln Beschl. v. 14.7.2021 – 2 Wx 119/21
1 Tatbestand
I.
Am 18.7.2020 ist Frau A. S. (im Folgenden: Erblasserin) verstorben. Ihr Ehemann, Herr F. J. S., ist zwischen dem 13.7.2020 und 14.7.2020 vorverstorben. Die Erblasserin und ihr Ehemann hatten am 24.6.1985 einen vom Nachlassgericht am 7.8.2020 eröffneten Erbvertrag (UR.Nr. 1289/1985 des Notars Dr. W. in Köln, Bl. 7 ff. d. Beiakte 75 IV 902/20) geschlossen, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und darüber hinaus keine weiteren Verfügungen getroffen haben.
Die Erblasserin hinterlässt keine Kinder. Ihre Eltern sind vorverstorben. Die Erblasserin hat zwei Geschwister, die am 11.11.1995 vorverstorbene A. G. und M. M. Die vorverstorbene A. G. hat zwei Kinder hinterlassen, Herrn W. G. und die Antragstellerin. Herr W. G. hat die Erbschaft durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht vom 18.9.2020 ausgeschlagen (Bl. 1 ff. d. Beiakte 75 VI 1126/20). Weiterhin ist zur Akte gereicht worden eine Ausschlagungserklärung der in Brasilien lebenden M. M. vom 1.10.2020 in portugiesischer Sprache mit beglaubigter deutscher Übersetzung, die von Frau S. R., einer "autorisierten Schreiberin im außergerichtlichen Dienst" in Sao Luis, beglaubigt worden ist, wobei die Beglaubigung wiederum "überbeglaubigt" und mit einer Apostille versehen worden ist (Bl. 6 ff. d. Beiakte 75 VI 1126/20).
Mit notariell beurkundetem Antrag vom 19.11.2020 – UR.Nr. 2214/2020 des Notars S. in E. – hat die Beteiligte die Erteilung eines Alleinerbscheins nach gesetzlicher Erbfolge beantragt (Bl. 1 ff. d.A.).
Durch Beschl. v. 4.3.2021 hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag der Beteiligten zurückgewiesen, weil die erforderliche Form der Ausschlagungserklärung nicht gewahrt sei (Bl. 30 f. d.A.). Nach deutschem Recht sei eine Beglaubigung durch einen deutschen Notar oder ein deutsches Konsulat oder die deutsche Botschaft erforderlich. Nach der Ortsform, dem brasilianischen Recht, sei eine öffentliche Beurkundung erforderlich, die hier ebenfalls nicht eingehalten worden sei.
Gegen diesen der Beteiligten am 9.3.2021 zugestellten Beschluss hat diese mit am 9.4.2021 beim Amtsgericht Brühl eingegangenen Schriftsatz vom 8.4.2021, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, Beschwerde eingelegt (Bl. 35 ff. d.A.).
Durch Beschl. v. 21.4.2021 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 38 f. d.A.).
2 Gründe
II.
Die zulässige Beschwerde der Beteiligten hat auch in der Sache Erfolg.
Der Antrag der Beteiligten auf Erteilung eines Alleinerbscheins nach gesetzlicher Erbfolge ist entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts begründet. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben. Die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Beteiligten erforderlich sind, werden für festgestellt erachtet.
Die Beteiligte ist Alleinerbin der Erblasserin nach gesetzlicher Erbfolge. Die gewillkürte Erbfolge kommt nicht zum Tragen, weil die Einsetzung ihres Ehemannes als Alleinerben durch den Erbvertrag vom 24.6.1985 infolge seines Vorversterbens und mangels Einsetzung von Ersatzerben gegenstandslos ist. Da Erben erster Ordnung (§§ 1924, 1930 BGB) nicht vorhanden und die Eltern der Erblasserin vorverstorben sind, kommen als Erben zweiter Ordnung gem. § 1925 BGB nur die noch lebende Schwester M. M. sowie die Beteiligte und W. G. als Kinder der vorverstorbenen weiteren Schwester der Erblasserin in Betracht. M. M. und W. G. sind indes infolge ihrer Ausschlagungserklärungen als Erben gem. § 1953 Abs. 1 BGB weggefallen.
Die Ausschlagungserklärung des W. G. vom 18.9.2020 ist formgerecht zur Niederschrift des Nachlassgerichts gem. § 1945 Abs. 1 BGB und fristgerecht gem. §§ 1944 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 1945 Abs. 1 BGB erfolgt. Abkömmlinge hat W. G. nicht, so dass sein Erbteil gem. § 1953 Abs. 2 BGB an die Beteiligte fällt.
Auch die Ausschlagung der M. M. ist wirksam. Die Ausschlagung ist fristgerecht erfolgt. Sie lebt im Ausland, so dass die Ausschlagungsfrist gem. § 1944 Abs. 3 BGB sechs Monate beträgt. Der Erbfall erfolgte am 18.7.2020. Die Ausschlagungserklärung ist am 20.10.2020 – auch in deutscher Sprache – beim Nachlassgericht eingegangen, so dass die Ausschlagungsfrist unabhängig davon, wann die Frist zu laufen begann, gewahrt worden ist.
Die Ausschlagung der M. M. ist auch formgerecht erklärt worden. Dabei kann offenbleiben, ob sich die Bestimmung des auf die Form der Ausschlagung anwendbaren Rechts nach Art. 28 EuErbVO oder Art. 11 Abs. 1 EGBGB richtet, weil nach beiden Vorschriften auf die Form alternativ brasilianisches Recht (Or...