1. Gestaltungsrahmen
Das Pflichtteilsrecht hat im forensischen und wissenschaftlichen Diskurs anhaltend Hochkonjunktur mit Schwerpunkt Pflichtteilsreduzierung und das, obwohl
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das Pflichtteilsrecht zwingend und damit von Natur aus gestaltungsfeindlich ausgebildet ist und |
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das Bundesverfassungsgericht durch die Ausstattung des Pflichtteils über die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG iVm Art. 6 Abs. 1 GG mit Grundrechtsschutz die Position Enterbter weiter gestärkt hat. |
An dieser auch noch öffentlich eingestandenen Suche nach Wegen zur Pflichtteilsminimierung haben sich Gesetzgeber, Forensiker und Lehre gleichermaßen mit unterschiedlichen Erfolgen beteiligt. Das hat kürzlich sehr instruktiv Gabriele Müller – Erbrechtschefin des Instituts für Notarrecht an der Universität Würzburg – aufgezeigt, als sie "Innovative Wege zur Pflichtteilsminimierung" auf ihre Eignung testete, inwieweit das anvisierte Ziel auf ihnen zu erreichen ist. Nach ihren Untersuchungsergebnissen spielt – und darauf kommt es hier an – die Absicht, in der Möglichkeiten von Pflichtteilssenkungen nachgespürt wird, für das Eignungstestat letztlich keine entscheidende Rolle. Dazu jetzt ein paar Fundstücke der drei genannten Suchtrupps:
2. Gestaltungswege des Gesetzgebers
a) § 2315 Abs. 1 Satz 4 BGB-E
Den vom Gesetzgeber mit § 2315 Abs. 1 Satz 4 BGB-E eingeschlagenen Reduzierungsweg über
Zitat
"nachträgliche Pflichtteilsanrechnungen von Todes wegen"
insbesondere, weil die Erfahrung lehre, dass Erblasser sich im Zeitpunkt der Zuwendung nur selten über bestandsfeste Anrechnungsanordnungen Gedanken machen, hat der Rechtsausschuss, hauptsächlich unter Vertrauensschutzgesichtspunkten des Zuwendungsempfängers, jäh versperrt. Das sollte indes nicht entmutigen, Verbesserungen bei der Verteilungsgerechtigkeit de lege ferenda weiter nachzugehen.
b) § 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB (nF) – Pro-rata-Regelung
Die in § 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB eingeführte Pro-rata-Regelung bei der Pflichtteilsergänzung durch Reduzierung des Schenkungswerts in Höhe von 1/10 pro Jahr ist hingegen ein gelungenes Beispiel für eine gerechter erscheinende Pflichtteilsminimierung anstelle des vorherigen
Zitat
"Alles-oder-nichts-Prinzips"
Da davon auch gemeinnützige Organisationen und Stiftungen profitieren können, soweit eine wirkliche Leistung des Erblassers erfolgt, wäre unsere große Entscheidung zur Dresdner Frauenkirche, die nach einer Millionenspende als Beschenkte der Pflichtteilsergänzung gemäß § 2329 BGB – auch in Millionenhöhe – unterlag, heute anders ausgefallen.
c) § 2333 BGB (nF) – Pflichtteilsentziehung
Auch die Neuregelung zur Pflichtteilsentziehung gehört mit der radikalsten Reduzierung auf null in den Kreis der Pflichtteilsminimierungsinstrumente. Die Erweiterung des geschützten Personenkreises (Lebensgefährte, Stief- und Pflegekind) und des Entziehungsgrundes "Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung" geben diesem Instrument schärfere und wohl auch rechtsstaatlichere Konturen.
3. Gestaltungstestate der Rechtsprechung
a) Ehegattenzuwendungen und Güterstandsvereinbarungen
Bei den durch die Rechtsprechung erteilten Gestaltungstestaten erlaubt die Ehegattenzuwendung wegen der dadurch ausgelösten Pflichtteilsergänzung regelmäßig keine effektive Reduzierung, es sei denn, es handelt sich um entgeltliche Geschäfte. Eine häufige Praxisvariante ist die Zuwendung im Rahmen eines ehevertraglichen Güterstandswechsels. Die dadurch entstehenden Ausgleichsansprüche sollen nach herrschender Meinung – weil entgeltlich erfolgt – keine Pflichtteilsergänzung auslösen. Auch sieht der Bundesfinanzhof solche nicht als freigiebige, der Schenkungsteuer unterliegenden Zuwendungen an. Vieles ist bei dieser bloß am Entgeltlichkeitskriterium – nicht am Zuwendungsmotiv – zu messenden Pflichtteilsbeeinflussung noch nicht geklärt.
b) Nachträgliche Entgeltfestlegung durch Vereinbarung oder tatsächliche Dienstleistungserbringung
Der lebzeitigen Umwandlung einer zunächst unentgeltlich gemeinten Zuwendung in eine entgeltliche kommt bei der Pflichtteilsreduzierung eine besondere Bedeutung zu. 2007 hat der Bundesgerichtshof seine noch 1995 insoweit geäußerte Skepsis aufgegeben und die nachträgliche Entgeltlichkeitsvereinbarung zugelassen. Grenze bildet nur ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Die aktuellste Variante aus diesem Gestaltungskreis hat der Senat Ende letzten Jahres gebilligt, als er im Rahmen des § 2287 BGB ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an einer Schenkung bestätigte, wenn der Beschenkte ohne rechtliche Bindung Leistungen zur Betreuung im weiteren Sinne übernimmt bzw. weiter übernehmen will. Hier kommt es für die Frage nach pflichtteilsverrin...