1. Grenzen der Auslegung
Wo sind die Grenzen der Auslegung und damit die des Auslegungsvertrags? Wir wissen, dass der Wortlaut eines Testaments oder auch eines Erbvertrags keine Grenze der Auslegung darstellt. Bewusste Falschbezeichnungen des Erblassers binden bei der Auslegung nicht. Hinzu tritt die ergänzende Testamentsauslegung, bei der man den hypothetischen Willen des Erblassers erforscht, wobei hinsichtlich der Willensrichtung sich in der Verfügung von Todes wegen eine Andeutung ergeben muss; nach der Rechtsprechung – entgegen großen Teilen der Lehre – muss nur eine Andeutung für die Willensrichtung, in der die Auslegung erfolgen soll, in der Verfügung von Todes wegen vorhanden sein; an diese Andeutung werden in der Praxis aber teilweise sehr geringe Anforderungen gestellt. Da wir sowieso für den Auslegungsvertrag die Regeln des Vergleichs anwenden und hinsichtlich der Form die §§ 2385, 2371 und 2033 BGB beachten, gibt es in dem hier relevanten Rahmen keine Grenzen der Auslegung.
2. Abgrenzung Vermächtnis – Erbrecht
Zuweilen wird der Streit darum, ob eine Zuwendung als Erbrecht oder als Vermächtnis zu verstehen ist, durch Auslegungsvertrag beigelegt. Hier ist nach der (nicht bindenden) Einigung im Mediationsvergleich anschließend die Form der notariellen Beurkundung (§§ 2385, 2371 und 2033 BGB) zu wahren, da die eventuelle Verpflichtung übernommen wird, das Erbrecht zu übertragen. Es wurde aufgezeigt, dass ein "Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut", den sogar Laien im Schiedsverfahren vereinbaren können, gemäß § 1053 Abs. 3 ZPO die Form der notariellen Beurkundung ersetzt (s. o. Teil I Exkurs nach 2 e.
3. Auslegungsvertrag – Herausgabeverlangen
Häufiger werden Vergleiche im Erbrecht in der Art geschlossen, dass auf Ansprüche, z. B. auf Herausgabe bestimmter Gegenstände oder auf den erbrechtlichen Gesamtanspruch nach § 2018 BGB, ganz oder teilweise verzichtet wird. Solcher Erbvergleich ist kein Auslegungsvertrag, weil er seinem Inhalt nach sich nicht mit Auslegungsfragen befasst, mag auch solchem Vergleich eine bestimmte vergleichsweise gefundene Auslegung zugrunde liegen. Insoweit sollte man am Wortlaut haften. Die im Wege des gegenseitigen Nachgebens gefundene Grundlage für die Auslegung der Verfügung von Todes wegen und die darauf fußende Verpflichtung zur Herausgabe mag also Geschäftsgrundlage sein, wenn sie nicht in den Vertrag aufgenommen wurde, mehr nicht. Es erscheint auch wenig förderlich, hier von einem "Auslegungsvertrag" als "Binnenvergleich" zu sprechen; die Schwierigkeiten zeigen sich dann alsbald: Besteht ein Formerfordernis?
4. "Verzicht auf sämtliche Ansprüche"
Wird auf sämtliche Ansprüche aus einem behaupteten Erbrecht verzichtet, so mag das wirtschaftlich wie eine Übertragung einer eventuellen Erbenstellung einzuordnen sein. Rechtlich ist dies – auch vom Wortlaut her – kein Auslegungsvertrag. Eisele will in einem solchem Fall, einem sog. Binnenvergleich, die §§ 2385, 2371 BGB analog anwenden, wenn dem Vergleich eine umfassende Wirkung zukommt. Nach hiesiger Ansicht sollte man auf die – in aller Regel schriftlich fixierten – jeweiligen Verpflichtungen abstellen: Formfreiheit, wenn Ansprüche begründet, erlassen oder übertragen werden, die formlos begründet, erlassen oder übertragen werden können; Formbedürftigkeit, wo für solche Rechtsgeschäfte die Einhaltung einer Form zur Gültigkeit des Rechtsgeschäfts erforderlich ist, z. B. die des § 311 b Abs. 1 BGB, wenn z. B. die Verpflichtung zur Übertragung eines Grundstücks eingegangen wird. Zum Formproblem s. o. Teil I 2 d u. Exkurs nach 2 e.
5. Rücknahme von Rechtsmitteln
Zuweilen sieht ein Vergleich über das Erbrecht so aus, dass die Beschwerde im Erbscheinsverfahren gegen eine Geldzahlung oder andere Leistung zurückgenommen wird. Auch dies ist kein Auslegungsvertrag, sondern ein Erbvergleich, der im anwaltlichen Mediationsverfahren möglich ist. Die Frage ist, ob im Verfahren selbst die Rücknahme erklärt werden kann oder ob man sich auf die bloße Verpflichtung zur Rücknahme beschränken muss. § 796 a Abs. 2 ZPO verbietet für Anwaltsvergleiche die Eingehung einer Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung (s. o. Teil I 2 d). Vereinbarungen der Parteien selbst über eine Rechtsmittelzurücknahme sind formlos außergerichtlich ohne Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten wirksam. Ob eine Vollstreckung solcher Verpflichtung überhaupt möglich ist, kann dahinstehen. Denn wenn sich die Partei nicht an ihre Verpflichtung hält, so wird das Rechtsmittel aufgrund arglistigen Verhaltens dieser Partei als unzulässig verworfen. § 796 a Abs. 2 ZPO will sicherstellen, dass der Anwaltsvergleich einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, denn mangels Rechtskraft eines Vergleichs greift § 894 ZPO (die Fiktion der Abgabe der Willenserklärung bei Rechtskraft des Urteils) nicht ein. Da es bei der Verpflichtung zur Rücknahme eines ...