Tagungsbericht zum 35. Berliner Steuergespräch
Einführung
Weitere Komplizierungen brachte die Unternehmensteuerreform 2008, durch die für Personenunternehmer als Ausgleich für die Tarifsenkung bei der Körperschaftsteuer ein besonderer Steuersatz für thesaurierte Gewinne (§ 34 a EStG) geschaffen wurde. Mittlerweile konnte die Praxis erste Erfahrungen mit dieser Thesaurierungsbegünstigung sammeln. Bei hohen Gewinnen und langfristiger Thesaurierung erscheint die Tarifbegünstigung interessant. Hingegen kann sich in Verlustjahren die Nachversteuerung wegen Überentnahmen sogar krisenverschärfend auswirken. Auch gibt der Gesetzgeber in Verlustsituationen keine Anreize zur Verstärkung des Eigenkapitals bzw. bewirkt das Gegenteil, wie es der 2009 geschaffene § 15 a Abs. 1 a EStG vorsieht, wodurch Verluste trotz wirtschaftlicher Belastung vom Kommanditisten nicht genutzt werden können.
Das 35. Berliner Steuergespräch – moderiert von Herrn Michael Wendt – bot ein Forum zum Austausch zwischen Steuerwissenschaft, Steuerpraxis und -politik, an dem neben den beiden Referenten Herrn Hermann Brandenberg und Herrn Prof. Dr. Joachim Hennrichs auch Herr Dr. Ullrich Fechner, Herr Prof. Dr. Ulrich Prinz sowie Herr Prof. Dr. Michael Schmitt mitwirkten.
Die Besteuerung von Personengesellschaften in Deutschland ist zwar von dem Grundsatz der Transparenz geprägt, teilweise wird aber auch an die Personengesellschaft selbst als partielles Steuerrechtsubjekt angeknüpft. Daraus ergibt sich ein komplexes System, das auf Personenzusammenschlüsse völlig unterschiedlicher Größe und Wirtschaftskraft anzuwenden ist.
A. Vorträge
I. Einheit und Vielheit bei Personengesellschaften
1. Zivilrechtliche Grundentscheidungen als Ausgangspunkt
Einleitend stellte Hennrichs die Frage nach der Legitimation des Dualismus der Unternehmensbesteuerung. Vom Bundesverfassungsgericht sei diese Grundausrichtung in einer Entscheidung vom 21.6.2006 jedenfalls gebilligt worden. Danach dürfe der Steuergesetzgeber zivilrechtlich vorgefundene Strukturen steuergesetzlich aufgreifen und zivilrechtliche Grundentscheidungen fortsetzen.
Hennrichs vertrat die Ansicht, dass diese Sichtweise verfassungsrechtlich vertretbar sei. In den letzten Jahrzehnten habe sich die Zivilrechtsdogmatik aber gewandelt. Gesellschaftsrechtlich gelte das Trennungsprinzip heute anerkanntermaßen auch für Personengesellschaften. Für die Personenhandelsgesellschaften sei es gesetzlich in § 124 HGB verankert. Für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts folge es aus einer mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. De lege lata stehe steuerrechtlich die Personengesellschaft dem Einzelkaufmann näher als der Kapitalgesellschaft. Dies sei aber aufgrund der zivilrechtlichen Grundentscheidung zu bezweifeln.
2. Steuerliche Aspekte
Zwischen den Systemen der transparenten Verlustzurechnung und dem Trennungsprinzip existierten Gleichheitsprobleme. Bei der GmbH hafte zivilrechtlich prinzipiell nur die Gesellschaft. In der Praxis bekomme eine mittelständische GmbH einen Bankkredit jedoch nur gegen Bürgschaften der GmbH-Gesellschafter. Würde der GmbH-Gesellschafter als Bürge in Anspruch genommen, wäre er wie in einer anderen Rechtsform ohne Haftungsabschirmung betroffen. Die oHG habe dieselbe Struktur. Es existiere zwar keine vertragliche Bürgenhaftung. Bei ökonomischer Betrachtung würden Personengesellschafter nach § 128 HGB jedoch wie Bürgen haften. Sowohl im Fall der Haftung nach § 128 HGB als auch im Fall der Bürgenhaftung werde der Gesellschafter bzw. der Bürge nur in Anspruch genommen, wenn das Haftungsvolumen der Gesellschaft nicht ausreiche. Die Gesellschafterhaftung nach § 128 HGB sei zwar eine unmittelbare persönliche Haftung in voller Höhe, der Gesellschafter habe jedoch einen Regressanspruch gegen die Gesellschaft. Solange die Gesellschaft keine wirtschaftlichen Probleme habe, sei die Haftung nach § 128 HGB faktisch für einen Personengesellschafter nicht von der Bürgenhaftung eines GmbH-Gesellschafters zu unterscheiden. Beide Fälle seien vergleichbar und sollten deshalb die gleichen Steuerfolgen auslösen.
II. Personengesellschaft im Ertragsteuerrecht: zwischen Transparenz und Subjekt der Gewinnermittlung
1. Gewerbesteuerlicher Verlustvortrag
Brandenberg bemängelte, dass im Rahmen der Gewerbesteuer häufig von einer Steue...