Sie sollten klarstellen, dass es sich bei der Mediation um ein professionelles Konfliktlösungsverfahren handelt, das eine gute Alternative zu einer Entscheidung per Urteil darstellen kann. Dies rührt daher, dass der Lösungsansatz ein völlig anderer ist, als bei der klassischen Gerichtsbarkeit. Dort gibt das Gesetz die Garantie einer Entscheidung nach Recht und Gesetz – allerdings nur innerhalb der gesetzlichen Schranken.
In einem Mediationsverfahren gibt es nur wenige Verfahrensvorgaben. Inhaltlich geht es im Wesentlichen um die Umformulierung von Positionen in Interessen. Roger Fisher und William Ury haben als Erste die Begriffe unterschieden und so eine Hauptursache von Konflikten herausgearbeitet. Was bedeutet das im Einzelnen?
Ein Konflikt zwischen mehreren Parteien entsteht, wenn zumindest eine Seite mit ihrer Situation unzufrieden ist und diese Unzufriedenheit Auswirkungen auf die andere Seite hat. Aus einer solchen Unzufriedenheit entstehen Wünsche, Bedürfnisse oder Ängste beim Einzelnen. Der Betroffene versucht diesen Zustand zu ändern und überlegt sich Lösungsmöglichkeiten. Je länger er darüber nachsinnt, umso mehr vereinfacht er das Problem, sodass er im Laufe der Zeit ein einziges Lösungsmuster entwickelt (Position). Haft hat treffend Positionen als fiktive Geschichten beschrieben, die sich die Parteien jeweils als Lösung eines aktuellen Problems wünschen. Typischerweise werden nur von der anderen Seite Taten oder Zugeständnisse zur Lösung des Problems verlangt ("Du machst …"; "Du zahlst …").
Ist die andere Seite mit diesen Forderungen nicht einverstanden, entsteht ein Konflikt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt kommt es zu wechselseitigen Vorwürfen und Forderungen. Die Folge: Zum einen vertreten die Parteien nur noch den eigenen Standpunkt, ohne dem anderen zuzuhören. Zum anderen wird die Problemlösung meistens so definiert, dass ausschließlich die andere Seite etwas tun, sich ändern oder ein Zugeständnis machen muss. Eine Position ist also eine mögliche Lösung des Problems, allerdings meist nicht die einzige. Hier liegt der Schlüssel zu einem erfolgreichen Mediationsverfahren!
Interessen hingegen liegen hinter den Positionen. Es handelt sich um alles, was der Partei in diesem Zusammenhang mit dem Streit wichtig ist, also die eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Anliegen und Befürchtungen. Da die Parteien in der Regel nicht in der Lage sind, ihre eigenen Interessen zu erkennen geschweige denn zu formulieren, muss dies der Mediator tun. Wenn sie aufgedeckt werden, können sie den Blickwinkel der Parteien ändern, erweitern und somit neue Lösungswege schaffen.
Bezogen auf unseren Ausgangsfall bedeutet das:
V war durch den Tod seiner Frau psychisch sehr mitgenommen und im praktischen Leben (Versorgung, Kontakte …) auf Hilfe angewiesen (Interesse). Er sah in seinem Sohn die einzige Unterstützung vor Ort. Diesen wollte er nicht verprellen und stellte sich auf seine Seite. Da er über wenig Barvermögen verfügte, fürchtete er zudem um seine Altersversorgung (Interesse) und wollte T jetzt kein Geld zahlen (Position). Mit T und den Enkeln hätte er gerne weiter Kontakt gehabt (Interesse). T hatte sich von Kindesbeinen gegenüber dem männlichen Nachkommen S benachteiligt gefühlt. Sie hatte in ihrem Leben immer um Anerkennung der Eltern gerungen (Interesse), die ihr aber trotz beruflicher und privater Erfolge nie entgegengebracht wurde. Eigentlich hätte sie zum Vater gerne Kontakt gehalten (Interesse). Sie traut dem Bruder wirtschaftlich nicht zu, den Betrieb weiterzuführen, und fürchtet, am Ende noch alleine für den Vater aufkommen zu müssen (Interesse). Zudem glaubt sie, der Bruder werde den Vater veranlassen, auch noch das restliche Vermögen auf ihn umzuschreiben, und damit ganz um ihr Erbe gebracht zu werden (Interesse). Deshalb verlangt sie sofortige Zahlung des Pflichtteils (Position).
Bedürfnisse sind ich-bezogen formuliert. Sie können daher per se keinen Angriff gegenüber dem anderen darstellen. Der Mediator formuliert die Position in eine "Ich-Botschaft" um.
Hatte V zu T vorher gesagt: "Du bekommst keinen Cent", so hat der Mediator diesen Satz für V umformuliert in: "Ich möchte mein eigenes Alter finanziell abgesichert wissen und weiß im Moment auch nicht, wie ich dich auszahlen soll".
Dadurch wird eine wechselseitige, aufeinander bezogene und neutrale Definition des Problems entwickelt. Bei jeder Konfliktpartei wird die Verteidigungsposition des eigenen Problems aufgebrochen. Danach können beide ein Bündnis zur Lösung eines geteilten Problems bilden.