Anhand des am 13.4.2011 entschiedenen Falles lassen sich systematische Prämissen des Pflichtteilsrechts aufzeigen, die in der letztgenannten Entscheidung nicht vollständig berücksichtigt wurden:
1. Dem deutschen Erbrecht allgemein und dem gesetzlichen Erbrecht im Besonderen liegt das Prinzip zugrunde, dass in der Linie der Deszendenten die ältere Generation grundsätzlich die jüngere ausschließt. So wäre auch in der Entscheidung vom 13.4.2011 eine Erbschaft (oder Pflichtteilsberechtigung) des Klägers nicht infrage gekommen, wenn dessen Vater geerbt hätte.
2. Ein Pflichtteilsrecht entsteht nur dann, wenn mit dem Erblasser besonders nah verbundene, vom Gesetz bestimmte und zur gesetzlichen Erbfolge berufene Personen nicht Erbe werden, was zumeist dann der Fall ist, wenn sie enterbt werden (§ 2303 BGB). So verhält es sich auch in dem am 13.4.2011 entschiedenen Fall: Hier wären die Enkel (zu denen auch der enterbte Kläger gehörte) nach Enterbung und Pflichtteilsentziehung des Vaters gesetzliche Erben nach dem Großvater geworden. Aufgrund der Enterbung des Klägers wurde aus dem gesetzlichen Erbrecht ein Pflichtteilsrecht.
3. Eine dritte Prämisse des Pflichtteilsrechts ist, dass das Pflichtteilsrecht der älteren Generation von Deszendenten das Pflichtteilsrecht der jüngeren Deszendentengeneration ausschließt. Dementsprechend bejaht der BGH in dem am 13.4.2011 entschiedenen Fall zu Recht das Bestehen eines Pflichtteilsrechts, denn es besteht kein Pflichtteilsrecht in der ersten Deszendentengeneration. Der BGH betrachtet das Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung richtigerweise als redaktionelles Versehen, da in allen vergleichbaren Konstellationen (Ausschlagung etc.), in denen Erb- und Pflichtteilsrecht in der ersten Generation wegfallen, das Pflichtteilsrecht in der Enkelgeneration von Gesetzes wegen entsteht.
4. Aus der Gesamtschau dieser Prinzipien ergibt sich jedoch noch eine weitere Prämisse, die sich wie folgt herleiten lässt: Wenn ein Pflichtteilsrecht nur dann entsteht, wenn ein als gesetzlicher Erbe Berufener nicht Erbe wird (2.) und die jüngere Deszendentengeneration in der gesetzlichen Erbfolge von der älteren Deszendentengeneration ausgeschlossen wird (1.), kann die jüngere Deszendentengeneration auch dann nicht pflichtteilsberechtigt sein, wenn die ältere Generation Erbe wird. Die Entscheidung vom 13.4.2011 erfüllt diese Voraussetzungen. Denn hier wurde dem Vater des Klägers nicht nur der Pflichtteil, sondern auch der Erbteil entzogen.