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Die Vereinbarung von Nießbrauchsrechten, entweder als Vorbehaltsnießbrauch bei einer schenkweisen Übertragung oder als zugewandtes Nießbrauchsrecht von Todes wegen (Vermächtnisnießbrauch) oder zu Lebzeiten, führt zu vielfältigen Fragen bei der Gestaltungsberatung. Nachfolgend werden einige Konstellationen erörtert, unter Beachtung der neueren Rechtsprechung. Insgesamt gilt der schon ältere Satz "Nießbrauch ist nicht gleich Nießbrauch!".
I. Zuwendungsnießbrauch (§ 23 ErbStG)
Der Zuwendungsnießbrauch wird besteuert als ein steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen oder unter Lebenden. Die Kapitalisierung des Nießbrauchsrechts erfolgt regelmäßig dahingehend, dass nach § 15 BewG ein Jahreswert ermittelt wird, der mit dem entsprechenden Vervielfältiger, je nach Laufzeit des Nießbrauchs als lebenslänglicher oder zeitlich beschränkter Nießbrauch, multipliziert wird. Der Jahreswert ist nach § 16 BewG durch einen Höchstbetrag begrenzt (5,37 % des Substanzwertes): Dies wirkt sich seit Angleichung der Steuerwerte an die Verkehrswerte zum 1.1.2009 nur noch selten aus. Die Begrenzung des § 16 BewG ist überdies eine reine Höchstwertbegrenzung, so dass insbesondere, also bei ertragsschwächerem Vermögen, z.B. bei relativ niedriger Rendite von Kapitalvermögen, der tatsächliche, u.U. deutlich geringere Jahreswert zu Grunde gelegt wird.
Wichtig ist im Übrigen, dass bei Aktiengesellschaften, also Publikumsgesellschaften, der tatsächlich ausgeschüttete Gewinn dem Jahreswert des Nießbrauchers entspricht, während bei GmbHs der ausschüttungsfähige Ertrag berücksichtigt werden soll. Damit soll wohl danach differenziert werden, dass die Gewinnausschüttung bei einer zumeist aus wenigen Gesellschaftern bestehenden GmbH leichter beeinflusst werden kann.
Die Prognoseentscheidung des Jahresgewinns ist insbesondere bei schwankenden Bezugsgrößen streitanfällig. Die Finanzverwaltung kann gem. § 15 Abs. 3 BewG eine Schätzung auf Grund der Ergebnisse der Vergangenheit vornehmen. Es handelt sich allerdings bei dieser Schätzung um eine Zukunftsprognose auf Grundlage einer Stichtagsbetrachtung. Nach dem Stichtag eintretende Ereignisse sollen allerdings ausnahmsweise berücksichtigt werden, wenn sie in "nicht allzu langer Zeit" nach dem Stichtag eintreten. Hier liegt das Einfallstor für die Finanzverwaltung, die die Steuerfälle zumeist erst mehrere Jahre nach dem Stichtag zu beurteilen hat und nicht selten bessere Kenntnis, die erst nach dem Stichtag erworben wurde, noch verwerten möchte.
Derjenige, der den Erwerb eines Nutzungsrechts (oder auch eines Rentenrechts) zu versteuern hat, kann nach § 23 ErbStG statt der einmaligen Versteuerung nach dem Kapitalwert eine Jahresversteuerung wählen. Während man zunächst glaubte, dass – abgesehen von Liquiditätsgesichtspunkten – die Jahressteuer häufig auch rechnerisch der günstigere Weg sei, haben insbesondere Moench und Korezkij nachgewiesen, dass durch bestimmte Rechenmechanismen (z.B. die vorschüssige Berechnung anstelle einer mittelschüssigen, die Einarbeitung der Freibeträge etc.) die Jahresversteuerung häufig ungünstiger ist.
Dies gilt insbesondere dann, wenn nach § 23 Abs. 2 ErbStG zu einem späteren Zeitpunkt die Jahressteuer abgelöst werden soll, weil der Ablösebetrag dann neu nach der inzwischen statistisch gestiegenen Lebenserwartung des Steuerpflichtigen berechnet wird. Insbesondere besteht aber bei der Jahresversteuerung das Risiko, dass bei Übertreffen der statistischen Lebenserwartung ewig weitergezahlt werden muss. Ein Billigkeitserlass ist auch bei 100-Jährigen nicht zu erwarten. Anders ist es bei einer dauerhaften Insolvenz des Verpflichteten. Hier wirkt sich die Tatsache aus, dass der Ablösebescheid ein selbständiger Bescheid verfahrensrechtlich ist.
Später wurde ein Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG vom BFH auch bereits für Fälle vor dem 1.1.2008 abgelehnt. Auf Grund des JStG 2008 sollte der Abzug ab 1.1.2008 als dauernde Last ohnehin nicht mehr möglich sein, unabhängig von der überraschenden Erwähnung der Vorschrift in § 35b S. 3 EStG, einer verunglückten Vorschrift, die inzwischen gestrichen wurde.
Der Zuwendungsnießbrauch ist am ehesten zu empfehlen, wenn Steuerfreiheit nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG im Betriebsvermögen bei Mitunternehmerschaft des Nießbrauchers erreichbar ist. Denn dann akzeptiert die Finanzverwaltung bei einem mitunternehmerischen Nießbrauchsrecht (aber nur an Betriebsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, nicht bei den anderen Vermögensarten!) den Zuwendungsnießbrauch und ggf. auch den Verzicht auf den Nießbrauch als begünstigungsfähig.